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Ökostrom schlägt Wellen

Auf der schottischen Insel Islay soll sich das erste Wellenkraftwerk unter realen Bedingungen bewähren. Islay setzt auf Wind- und Meereskraft  ■ Aus Aberdeen Hans-Jürgen Marter

Eine kleine Insel an der schottischen Westküste – berühmt für ihre sechs Whiskydestillerien – will den Beweis antreten: Wind, Wellen und Abwärme reichen als Energieträger aus, um sicherzustellen, daß der Strom aus der Steckdose kommt. Hier soll Geschichte auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien geschrieben werden. Erstmals kann das erfolgreiche Forschungsprojekt zur Nutzung der Wellenenergie, Limpet, seine Tauglichkeit unter realen Bedingungen beweisen und sich so einem potentiellen Käuferkreis empfehlen.

Ein von der Queens University in Belfast angeführtes Firmenkonsortium hat gerade den Zuschlag für Mittel aus dem Brüsseler Joule- Topf für erneuerbare Energien erhalten, um die kleine Pilotwellenkraftanlage auf der Insel Islay durch eine größere, kommerzielle 500-KW-Anlage zu ersetzen.

Dies ist für Dorothy Carmichael von der Islay-Development-Initiative erst der Anfang: „Derzeit läuft das Genehmigungsverfahren für einen Windpark, die großen Destillerien wollen ihre Abwärme energiesparend wiederverwenden und die Gemeinde wie auch der Stromversorger Hydro Electric subventionieren die verbesserte Isolation von Häusern.“

Die Abkürzung Limpet steht für Locally Installed Marine Power Energy Transformer. Die 75-KW- Pilotanlage, die in einem Einschnitt der felsigen Küste installiert ist, bedient sich der Technik der schwingenden Wassersäule, bei der die anrollenden Wellen die Luft in einem Zylinder im Wechsel in eine Turbine drücken und wieder absaugen. Grob vereinfacht arbeiten diese Turbinen nach dem Spinnradprinzip: Das Rad dreht sich vorwärts, obwohl die Bewegung des Fußes auf- und abwärtsführende – also entgegengesetzte – Richtungen beschreibt. „Das Meer atmet“, beschreibt Allan Thomson vom Ingenieursbüro Applied Research and Technology (ART) im schottischen Inverness, „und wir fangen das ein.“

„Die neue 500-KW-Anlage Limpet gehört zur zweiten Generation von Wellenkraftwerken“, sagt Trevor Wittaker, Professor an der Queens University und treibende Kraft bei der Entwicklung der Wellenenergie. Anders als sein Vorgänger wird Limpet im Baukastenprinzip hergestellt sein, um zum Exportschlager zu werden. „In Dritte-Welt-Ländern besteht eine riesige Nachfrage nach Energie. Vor allem Inselgruppen verfügen über ein hervorragendes Wellenregime.“

Das weltweite Potential für Wellenenergie ist atemberaubend. Nach Berechnungen des norwegischen Energieministeriums verfügt etwa Norwegen über ein theoretisches Potential von 70 Gigawatt Leistung aus Wellenenergie: Weit mehr, als das Land mit Europas höchstem Stromverbrauch jemals verbrauchen könnte.

Insgesamt wird Europa in der kleinen Gemeinde der Wellenkraftenthusiasten als Kontinent mit großen Möglichkeiten angesehen. Denn für die Nutzbarmachung dieser Energieform wird vor allen ein „günstiges Wellenregime“ gebraucht, und das ist nirgends besser als zwischen dem 40. und 60. Grad nördlicher wie südlicher Breite. Zwischen 40 und 50 Kilowatt pro Meter Küstenlinie ließen sich zwischen Portugal und Norwegen nutzen, soviel wie sonst nirgendwo auf der Welt.

Kein Wunder also, daß sich hier – meist unbehelligt von der Öffentlichkeit – einiges tut. Auf der Hebrideninsel Islay jedenfalls hat man die Zeichen der Zeit erkannt. „Was wir im Übermaß besitzen, sind Wellen und Wind“, sagt Dorothy Carmichael, „und was liegt da näher, diese auch zu nutzen.“

Wenn da nicht das Schottlandministerium, die Naturschutzbehörde Scottish Natural Heritage sowie rund 25.000 Weißwangen- und Bläßgänse wären, die auf Islay überwintern. Zwar wird LimpetI schon im nächsten Jahr Strom produzieren, doch der Plan fünf 600-KW-Windkraftanlagen zu errichten, wodurch allein die Hälfte des Strombedarfs der Insel zu decken gewesen wäre, ist zunächst auf Eis gelegt.

Geschäftsführer Simon Boxer vom nordenglischen Betreiber The Windcompany kann seinen Unwillen über den Konflikt, bei dem Naturschutz gegen Naturschutz steht, denn auch nicht verhehlen. „Es gibt genügend Beispiele aus Dänemark, Deutschland und Schweden, die belegen, daß die Nutzung der Windenergie und Vogelschutz sich nicht widersprechen müssen. Die Gänse sind viel zu schlau, als das sie in die Rotoren fliegen würden“, sagt er.

Nach zwei Anhörungsverfahren hofft er nun vor Ende des Jahres eine positive Antwort zu erhalten. „Wenn wir die Baugenehmigung auf Islay nicht bekommen, dann würden wir sie nirgends bekommen, es wäre der Tod für erneuerbare Energien in Großbritannien. Dabei stehen die Leute auf Islay doch geschlossen hinter dem Projekt.“ Und immerhin hat sich die britische Regierung verpflichtet, bis zum Jahre 2010 zehn Prozent der Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu speisen.

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