: Zwischen Niederlagen und Freiräumen
■ Die Grüne Beck zu ihrem Amt als Bundes-Integrationsbeauftragte
taz: Vor der Entscheidung, Sie zur Integrationsbeauftragten zu berufen, wurden Sie intern als grüne Staatssekretärin im Arbeitsministerium gehandelt. Wie geteilt ist Ihre Freude über den Ausgang?
Es gab durchaus eine Schrecksekunde, weil ich damit überhaupt nicht gerechnet hatte. Ich werde aber einen Aufgabenbereich bekommen, der mir große Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und Gestaltungsfreiheiten läßt – mehr als sie Parlamentarische Staatssekretäre gewöhnlich haben. Deshalb beginne ich, mich mit dem Gedanken anzufreunden.
Insbesondere die grüne Linke wurde von Cem Özedemir, der auf den Posten des Integrationsbeauftragten hoffte, kritisiert. Er soll geäußert haben, dem Klischee vom hilfsbedürftigen Ausländer wohl nicht genug zu entsprechen. Das klingt, als gäbe es auch intern viel Arbeit für Sie.
Um neue Aufgabenfelder wird immer mit harten Bandagen gekämpft. Ich habe mit Cem Özedemir und auch mit Claudia Roth gesprochen. Da die Entscheidung für mich strömungsübergreifend gefallen ist, sollte man jetzt nach vorne schauen.
Auf welche Schwerpunkte?
Das orientiert sich an den Vorgaben der neuen Bundesregierung. Im Zentrum wird ein neues, modernes Staatsangehörigkeitsrecht stehen, das endlich anerkennt, daß wir eine Einwanderungsgesellschaft sind. Es wird sehr viele geben, die die deutsche Staatsangehörigkeit anstreben werden und gleichzeitig ihre alte Staatsangehörigkeit behalten können. Das bedeutet viel Aufklärung in den ausländischen Communities. Aber auch innerhalb der deutschen Gesellschaft wird für diesen Prozeß zu werben sein.
Nach 16 Jahren Kohl kein einfaches Vorhaben.
Genau. Wenn ich mir die Einlassungen des Bremer Innensenators über die schwache Integrationsbereitschaft der ausländischen Wohnbevölkerung anschaue, wird mir klar, daß es sehr viel Aufklärung, Vermittlung und auch Werbung für einen Integrationsprozeß bedarf.
Grüne wollen mehr Menschlichkeit in der Ausländerpolitik. Aktuell ist der Fall Mehmet.
Ja. Wenn sich die alte Bundesregierung in den vergangenen Jahren zu einer dem tatsächlichen Status der ausländischen Mitbürger entsprechenden Gesetzgebung entschlossen hätte, wäre er zu behandeln wie alle jugendlichen Missetäter. Statt dessen haben wir eine völlig aufgeputschte Debatte über einen jungen Mann, dessen Eltern seit 30 Jahren in Deutschland leben. Das Inhumane ist, daß der verfassungsmäßig garantierte Schutz der Familie dort nicht gilt, wo kein deutscher Paß vorliegt. Aber im Augenblick wird der Rechtsweg beschritten – und da hat die Beauftragte nichts zu kommentieren.
Ihre AmtsvorgängerInnen haben wiederholt über mangelnde Kompetenzen geklagt. Wie wird Ihr Ressort zugeschnitten?
Das ist im Koalitionsvertrag bisher nicht festgeschrieben. Es ist aber deutlich, daß wir für das neue Staatsbürgerschaftsrecht sehr viel Öffentlichkeitsarbeit brauchen und daß das mit der eher schmal geschnittenen Ausstattung des Amtes nicht zu leisten sein wird. Wenn die Bundesregierung neue Schwerpunkte setzt, wird sie dafür Sorge tragen müssen, daß Ausstattung und Unterbau entsprechend aufgestockt werden.
Im Koalitionsvertrag sind viele „Prüfthemen“ erwähnt –z.B. die Dauer von Abschiebehaft.
Wenn man den Koalitionsvertrag bewertet, muß man neben den großen Erfolgen im Bereich Staatsbürgerschaftsrecht und Anti-Diskriminierungsgesetz auch Niederlagen feststellen. Die haben wir im Bereich Niederlassungsrecht, Ausländerrecht und Asyl- und Flüchtlingspolitik hinnehmen müssen. Das ist nicht schönzureden. Im Laufe der Regierungszeit muß man sehen, was an Entkrampfung zwischen der doch eher „strengen“ Politik des zukünftigen Bundesinnenministers Schily und der ganz anders ausgerichteten Politik der Bündnisgrünen zu bewerkstelligen sein wird. Fragen: Eva Rhode
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