■ Standbild: Besessenheit
„37 Grad – Der Exorzist“, Di., 22.45 Uhr, ZDF
Wir schreiben das Jahr 1998 (in Worten: neunzehnhundertachtundneunzig): Iridium-Handys, Bundestrainer- & Regierungswechsel, Jojo-Revival, Veronas Welt – und in Rom hält Gabriele Amorth tagein, tagaus seine Sprechstunde. Amorth ist 71, Pater und „Don Gabriele“, hauptamtlicher Chef-Exorzist der römisch-katholischen Hauptstadtdiözese. Ein interessanter Beruf und – nicht nur, weil seine Ausübung in Deutschland seit 1976 verboten ist – Grund genug für die Dokumentaristen Carlotta Tagliarini und Gerhard Müller, im Auftrag des ZDF ein Filmchen über Amorth anzufertigen, der in seinem langen Leben immerhin 40.000 Teufelsaustreibungen (in Worten: vierzigtausend und Teufelsaustreibungen) absolviert haben will.
Leider, so erfuhr man gleich am Anfang, durften die Chef- Exorzismen selbst nicht gefilmt werden. (Och.) Aber zum Glück hatte der Beelzebubvergrämer da ja noch dieses Homevideo (Ach?), das er gern zur Verfügung stellte und auf dem französische Exorzierkollegen alles festgehalten haben: zitternde, kreischende, augenrollende Besessene und von ihrem Tun besessene Exorzisten, die Hand auflegen, fabulieren und beschimpfen, bis der Teufel verständlicherweise die Lust verliert und die Exorzierten unverständlicherweise allerlei metallenes Zeug [sic] hervorwürgen. Da zeigte dann auch Amorth gern seine säuberlich in Briefumschlägen archivierte Sammlung ausgekotzter Nägel, Haustürschlüssel und Duracell-Batterien...
Immerhin halten die Filmemacher die ganze Exorziererei für Mumpitz und machen gottlob keinen Hehl daraus: „Atheisten sind offensichtlich gegen diese Krankheit immun“, hieß es da beispielsweise. Und dank einer ausgefeilten Interviewtechnik (attraktive Italienerin flirtet mit rüstigem Kirchenmann) konnte sich Tagliarini zudem manch pietätlose Frage („Glauben Sie das wirklich?“) leisten – selbst wenn auch Amorth dazu kaum mehr einfiel als die alte Universalausrede, daß Glauben nun mal nicht Wissen heiße.
Was blieb, war ein flüchtiger Blick auf einen alten Mann mit einer fixen Idee. Er könnte auch Legosteine sammeln oder Außerirdischen das Autofahren beibringen. „Der Exorzist“ fand den Exorzisten skurril, die Sache albern. Ganz so einfach aber ist derlei nun auch wieder nicht. Nicht neunzehnhundertachtundneunzig. Christoph Schultheis
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