: Unausgeloteter Tiefgang
Behördendaten belegen, daß nu wenige Schiffe die Tiefe der Elbe ausnutzen. Umweltschützer fordern deshalb Verzicht auf Vertiefung ■ Von Gernot Knödler
Die Elbvertiefung ist überflüssig. Zu diesem Schluß kommt der Förderkreis Rettet die Elbe, nachdem er Daten der Wirtschaftsbehörde zum Containerverkehr ausgewertet hat. Demnach nutzten im vergangenen Jahr die meisten Schiffe ihren konstruktionsbedingten Tiefgang nicht voll aus – nach Interpretation des Vereins ein klares Zeichen dafür, daß für die Elbvertiefung kein hinreichender Bedarf besteht.
Im übrigen sei der Containerumschlag im Hamburger Hafen im vergangenen Jahr um 9,3 Prozent auf 3,34 Millionen Standardcontainer (TEU) gestiegen – trotz der geltenden Tiefgangsbeschränkung. Reederverband und Wirtschaftsbehörde deuten die Zahlen anders: „Man muß sich wundern, daß sie trotzdem noch kommen“, sagt Bernd Meyer, Sprecher der Wirtschaftsbehörde.
Nach Angaben von Rettet die Elbe sind 1997 gut 4200 Containerschiffe in den Hamburger Hafen ein- und ausgelaufen. Gut 700 davon hatten einen maximalen Tiefgang von 12 Metern – dem kritischen Wert heute - und mehr. Lediglich gut 100 von diesen fuhren mit einem tatsächlichen Tiefgang von zwölf Metern und mehr.
Wenn die Reeder auf den wirtschaftlichen Vorteil verzichteten, ihre Schiffe möglichst weitgehend auszulasten, folgert Rettet die Elbe, dann müsse das Gründe haben: „Offensichtlich ist der Umschlagplatz Hamburg auch bei nicht optimaler Auslastung der Schiffe für die Reedereien höchst attraktiv.“
Nicht attraktiv genug, findet die Wirtschaftsbehörde: „Der Punkt ist, den Reedern anbieten zu können: Ihr könnt mit voller Kapazität den Hamburger Hafen anlaufen“, sagt deren Sprecher Meyer. Das sei für die Reeder ein Standortargument ersten Ranges.
Die großen Schiffe sollen auch deshalb voll beladen werden können, weil Hamburg nach den Wünschen der Hafen-Lobby erster Löschhafen und letzter Ladehafen in Europa sein solle. Denn von dem Hafen aus, in dem die Container als erste an Bord und von Bord gehen, sei der Container am schnellsten beim Kunden, sagt Detlef Meenke vom Verband Deutscher Reeder in Hamburg. Ein weiterer Pluspunkt im Wettbewerb. Tatsächlich hätten alle Containerschiff-Klassen ab einem Tiefgang von 11 Metern 1997 schwerer beladen werden können. Umweltschützer und Reeder deuten das als Zeichen dafür, daß Hamburg „Mittelhafen“, nicht Erst- oder Letzthafen ist. Die Umweltschützer finden, das reicht.
Ob sich der hohe ökologische Preis für die Wettbewerbsvorteile lohnt, ist fraglich: 140.000 Arbeitsplätze in Hamburg hingen direkt und indirekt vom Hafen ab, sagt die Wirtschaftsbehörde. Dieter Läpple von der TU Harburg kommt dagegen nur auf 62.500 – „alle Beschäftigte des Hafens, der daran gekoppelten Dienstleistungen sowie der überregionalen Verkehrsfunktionen zusammengefaßt.“ Macht acht Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Hamburgs.
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