piwik no script img

Grüne streiten weiter um Mandate für Minister

■ Auf dem Parteitag droht Krach: Mehrere Landes- und Kreisverbände fordern die grünen Minister auf, auf ihr Bundestagsmandat zu verzichten. Wird die Abstimmung dazu verschoben?

Berlin (taz/dpa) – Die Stimmung zwischen der grünen Parteispitze und der Basis ist kurz vor dem Parteitag äußerst angespannt. Streitpunkt ist allerdings nicht der Koalitionsvertrag, sondern die sogenannte Trennung von Amt und Mandat. Mehrere Landes- und Kreisverbände fordern, daß die designierten MinisterInnen Joschka Fischer, Jürgen Trittin und Andrea Fischer ihr Bundestagsmandat zurückgeben und Nachrückern Platz machen sollen. Mehrere entsprechende Anträge liegen der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen zur Abstimmung auf dem Sonderparteitag am Wochenende vor. Bundesvizepräsidentin Antje Vollmer befürchtet, die Debatte darüber werde „die schwierigste Abstimmung überhaupt“.

Die Stimmen für eine klare Trennung zwischen Bundestagsmandat und Regierungsamt kommen unter anderen aus den Landesverbänden Berlin, Nordrhein- Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Ihr Hauptargument lautet: In der Demokratie soll das Parlament die Regierung kontrollieren. Bei einer personellen Verquickung von Abgeordnetem und Minister sei diese Kontrolle außer Kraft gesetzt.

Tatsächlich gehört die Trennung von Amt und Mandat zu einem grünen Grundprinzip aus Oppositionszeiten – sie ist sogar in der Satzung festgehalten. Allerdings, argumentiert jetzt die grüne Parteispitze, beziehe sich die Regelung zur Trennung von Amt und Mandat nur auf Partei-, nicht aber auf Regierungsämter.

Alle drei Ministerkandidaten, Joschka Fischer, Jürgen Trittin und Andrea Fischer, haben bereits angekündigt, daß sie weiterhin Mitglieder des Bundestages bleiben wollen. Fischer hat sogar damit gedroht, er werde eher auf das Außenministeramt als auf sein Mandat verzichten.

An ein derartiges Szenario denkt in der Führung der Grünen allerdings niemand.

Nur die gleichzeitige Mitgliedschaft in Fraktion und Kabinett erlaube den Ministern eine starke, unabhängige Stellung gegenüber ihren Kabinettskollegen und Koalitionspartnern, erklärte der Parteivorstand.

Ein Mandatsverzicht würde die Stellung der grünen Minister nicht nur innerparteilich, sondern auch gegenüber der SPD schwächen. Bis auf Müller, Riester und Naumann besitzen alle SPD-Minister ein Mandat. Die meisten Bundestagsabgeordneten der Grünen stellten sich auf die Seite ihres Parteivorstands. Sie bekräftigten die Wichtigkeit, daß Minister in die Arbeit der Fraktion eingebunden seien.

Den Grünen droht auf dem Parteitag ein offener Streit. Die Parteispitze allerdings geht davon aus, daß die Vorstöße keine Mehrheit finden. Ein solches Chaos könnten sich die Grünen nicht mehr leisten, hieß es: „Das wäre verheerend für uns.“ Mit einer deutlichen Mehrheit wird bei der Hauptabstimmung über den Koalitionsvertrag gerechnet. An der Basis herrscht aber deutlich Unmut. In den rot- grünen Vereinbarungen sei die Parteiführung von der SPD zu sehr untergebuttert worden, ist von vielen Seiten zu hören. Bei der Atomkraft, der ökologischen Steuerreform, Tempolimits, dem Asylrecht oder bei der Gentechnik habe man praktisch „die Waffen gestreckt“. Solcher Ärger könne sich auf dem „Nebenkriegsschauplatz“ Mandatsfrage massiv entladen.

Die Parteitagsregie muß bestrebt sein, die Debatte nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, um kein Abstimmungsrisiko entstehen zu lassen. Ein Kompromiß könnte darin bestehen, das heikle Thema auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen und zusammen mit der Strukturreform zu entscheiden. „Klar, Fischer muß dazu reden“, hieß es aus der Fraktion. tht

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen