: Bauern gefährden rot-grünes Bündnis
Der künftige Landwirtschaftsminister Funke (SPD) will Landwirte von der Einkommenssteuerreform ausnehmen. Grüne errechnen Einnahmeverluste von 1,7 Milliarden Mark und befürchten höhere Neuverschuldung ■ Von Dieter Rulff
Bonn (taz) – Der rot-grüne Koalitionsvertrag ist noch nicht beschlossen, da plant die SPD bereits Nachbesserungen. Der kommende Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte gestern in einem Zeitungsinterview zur geplanten Steuerreform: „Wenn einzelne Regelungen zu Ungerechtigkeiten führen sollten, werden wir das im Gesetzgebungsverfahren ändern.“ Zumindest eine Änderung steht wohl jetzt schon fest. Der künftige Landwirtschaftsminister Karl- Heinz Funke erklärte, daß die Bauern nicht zu den Opfern der geplanten Steuerreform gehören werden. So werde das bestehende System der Umsatzbesteuerung sowie der Erhebung der Einkommenssteuer nach pauschalierten Sätzen beibehalten. Funke erklärte, er habe in dieser Frage mit Schröder und Lafontaine „Einvernehmen auf ganzer Linie“.
Dieses Einvernehmen besteht mit den Grünen allerdings nicht. Wie deren Steuerexperten vorrechnen, würde die Rücknahme der geplanten Reformen eine Deckungslücke von 1,7 Milliarden Mark in das Steuerreformpaket reißen. Zudem wird befürchtet, daß sich nach den Bauern auch andere Lobbygruppen für eine Modifizierung der sie betreffenden Regelungen der Einkommenssteuerreform stark machen werden. Die Sprecherin des Bundesvorstands der Grünen, Gunda Röstel, zeigte sich empört über das Vorgehen der SPD. Zur Zeit werde um die Zustimmung um den Koalitionsvertrag gerungen. Er sei die Grundlage für die nächsten vier Jahre Regierungsarbeit. Röstel rief die SPD auf, „das rot-grüne Projekt nicht durch einseitiges Herausgehen zu gefährden“. Es werde im Gesetzgebungsverfahren im Detail hart gestritten werden. Die SPD solle nichts tun, „diese Grundlage vorab zu unterminieren“.
Dem Vernehmen nach soll Funke gedroht haben, sein Amt nicht anzutreten, sollten die Reformen nicht rückgängig gemacht werden. Er reagierte damit auf Proteste des Deutschen Bauernverbandes gegen die von Rot- Grün ursprünglich geplante Streichung des Paragraphen 13a Einkommenssteuergesetz und 24 Umsatzsteuergesetz. Nach diesen Regelungen wird zur Zeit für mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe die Steuer pauschal ermittelt. Eine Pflicht zur Buchführung besteht erst bei einem Betriebsergebnis ab 32.000 Mark. Der Bundesrechnungshof hatte diese pauschalierte Gewinnermittlung kritisiert, weil danach weniger Einkommenssteuer zu zahlen wäre als bei der Buchführung. Deshalb sollten nach den Plänen der neuen Koalition die Bauern den anderen Unternehmen gleichgestellt werden, bei denen eine generelle Buchführungspflicht besteht. Dagegen machte der Bauerverband geltend, daß die Einkommen der Bauern 30 bis 40 Prozent unter dem Durchschnittseinkommen der übrigen Bevölkerung liegen. Die zu versteuernden Einkommen seien „fiskalpolitisch irrelevant“. Sollte sich Funke durchsetzen, würden nach Angaben aus Koalitionskreisen 1,7 Milliarden Mark im Haushalt fehlen.
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