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CDU-Politiker schwer belastet

Bremens Repräsentant in Brüssel, Günter Niederbremer, ließ sein Mietshaus durch Schwarzarbeiter instandsetzen. taz-Recherche bringt ihn nun in Erklärungsnot  ■ Aus Bremen Kerstin Schneider

Der Fall sah zunächst aus wie eine reine Routineangelegenheit. Bei einer Kontrolle in Denstorf bei Peine erwischten Zollfahnder zwei Polen, die die Fassade eines dreistöckigen Hauses sanierten. Die Männer, die im Auftrag des Hauseigentümers „schwarz“ an der Hauswand gewerkelt hatten, wurden ausgewiesen. Wegen illegaler Beschäftigung leitete die Staatsanwaltschaft Braunschweig ein Ermittlungsverfahren gegen den Eigentümer ein. Als der Name des Hauseigentümers bekanntwurde, wurde der Routinefall allerdings zum Skandal.

Das Haus gehört dem CDU-Politiker Günter Niederbremer, der als Staatsrat für Europaangelegenheiten das Land Bremen in Brüssel vertritt. Die Affäre ist besonders peinlich, weil die bremische Bürgerschaft den Senat noch im Juni mit großer Mehrheit aufgefordert hatte, härter gegen Schwarzarbeit durchzugreifen. Sechs Wochen später gingen den Fahndern die Schwarzarbeiter des Staatsrates ins Netz. Die Polen hätten ihn in seinem Wochenendhaus besucht und aus Dank „nur mal so mit angefaßt“. Das Ganze sei ein „Freundschaftsdienst“ gewesen – „Peanuts“, winkte der Staatsrat ab. Mittlerweile steht fest, daß der Politiker es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Nach taz-Recherchen handelt es sich bei dem Haus nicht um ein Wochenendhaus, sondern um ein Mietshaus mit vier Parteien, in dem der Staatsrat nur eine kleine Ferienwohnung unterhält. Die Sanierung war also kein Freundschaftsdienst am privaten Ferienhaus, sondern Instandsetzungsarbeit an einem Renditeobjekt, für das Niederbremer Mieteinnahmen kassiert.

Seitdem überschlagen sich die Rücktrittsforderungen. „Wenn der Wirtschaftssenator seinen Staatsrat nicht entläßt, ware das mit Blick auf die Schwarzarbeitsdebatte in der Bürgerschaft ein kaum zu überbietendes Beispiel scheinheiliger Doppelmoral“, so der grüne Abgeordnete Klaus Möhle. Auch die Bürgerschaftsfraktion der Wählergemeinschaft Arbeit für Bremen (AfB), die IG Bau, die Arbeitnehmer in der SPD und sogar die Junge Union fordern seinen Rücktritt. Nur die CDU, die die Debatte um Schwarzarbeit im Juni ins Rollen gebracht hatte, schweigt. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Zahlung einer Geldbuße von 5.000 Mark inzwischen von einer Anklage abgesehen. Niederbremers Dienstherr, Bremens Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU), will sich jetzt die Akten kommen lassen und dann „mit Augenmaß“ entscheiden. Niederbremer hat sich derweil eine neue Ausrede einfallen lassen: „Ich habe nie gesagt, daß das ein Wochenendhaus ist, ich habe gesagt, da bin ich am Wochenende.“

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