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Kein Weißer Löwe für Helmut Zilk

Tschechiens Präsident Havel will Wiens ehemaligen Bürgermeister nun doch nicht auszeichnen. Er soll für die tschechoslowakische Stasi gearbeitet haben  ■ Aus Prag Alexandra Klausmann

Wiens ehemaliger Bürgermeister Helmut Zilk steht unter Stasi- Verdacht. Der heute 71jährige soll in den 50er und 60er Jahren mit der tschechoslowakischen Staatssicherheit zusammengearbeitet haben. Gefunden hat diese Leiche im Keller des Österreichers der tschechische Senator und frühere Vorsitzende des Amtes zur Untersuchung und Dokumentation der Verbrechen des Kommunismus, Václav Benda.

„Aufgrund beglaubigter Informationen kann ich sagen, daß Helmut Zilk in der zweiten Hälfte der 60er Jahre erst ein Vertrauter und dann ein Agent der Ersten Division (Intelligenz) des tschechoslowakischen Staatssicherheitsdienstes war und daß er für seine Aktivitäten bezahlt wurde“, schrieb Benda gestern an Präsident Václav Havel.

In der Vergangenheit des Wieners wurde in Prag rumgewühlt, weil ihm Havel für seine Verdienste mit dem Orden des Weißen Löwen auszeichnen wollte, der höchsten Ehrung, die die Tschechen überhaupt verleihen. Die wird Zilks Brust jetzt allerdings nicht schmücken: Als Havel von seinem ehemaligen Mitstreiter der Charta 77 und Zellengenossen Benda über Zilks Geheimdienstaktivitäten informiert wurde, sagte er die Verleihung sofort ab.

Die Entscheidung schlägt in Tschechien Wellen. Der Ex-Premier und Parlamentsvorsitzende Václav Klaus kritisiert Havels Entschluß. „Ich befürchte, daß die tschechisch-österreichischen Beziehungen dadurch geschädigt werden“, sagte er gestern im tschechischen Rundfunk – ohne allerdings zu sagen, ob er die Anschuldigungen gegen Zilk für begründet hält.

Laut Bendas Informationen soll Zilk zwischen 1953 und 1969 mit der tschechoslowakischen Staatssicherheit zusammengearbeitet haben und dafür 66.000 Schilling (umgerechnet etwa 9.000 Mark) erhalten haben. Zilk leugnet diese Anschuldigungen. Er will aber nicht auschließen, daß er während seiner Aufenthalte in Prag, wo er für den Österreichischen Rundfunk (ORF) als Korrespondent tätig war, und später auch in Wien Kontakt zu Agenten hatte.

Helmut Zilk wurde 1927 in Wien geboren. Nach seinem Studium der Pädagogik, Philosophie, Psychologie und Germanistik arbeitete er beim ORF. Dort machte er sich einen Namen durch Fernsehdiskussionen zu Jugendthemen. Seine politische Karriere begann Zilk, der seit 1950 Mitglied der SPÖ ist, in den 80er Jahren. Zwischen 1984 und 1994 wurde er insgesamt dreimal zum Bürgermeister der österreichischen Hauptstadt gewählt.

Zilks Vorfahren sind tschechischer Abstammung. Deshalb, so behauptet er, habe er sich schon immer für Demokratie und Freiheit in der Tschechoslowakei eingesetzt. Zusammen mit seinem tschechischen Kollegen Jiři Pelikan organisierte er zur Zeit des Prager Frühlings die beliebte Fernsehsendung „Stadtgespräche Wien–Prag“. Seit 1994 ist er Vorsitzender der Österreichisch- Tschechischen Gesellschaft.

Für seine Verdienste um die Entwicklung der Beziehungen zwischen Prag und Wien erhielt Zilk 1994 die Prager Ehrenbürgerschaft. Ob er angesichts der neuen Anschuldigungen weiterhin kostenlos in Prager Straßenbahnen und U-Bahnen fahren darf, wurde bisher nicht diskutiert.

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