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Die PDS-Basis entscheidet über die erste rot-rote Koalition

■ SPD und PDS einig über Bündnis in Mecklenburg, doch auf PDS-Parteitag ist Zweidrittel-Zustimmung nötig

Schwerin (taz) – Der bundesweit erste rot-rote Koalitionsvertrag über eine gemeinsame Landesregierung von SPD und PDS ist in Mecklenburg-Vorpommern unter Dach und Fach. Am Dienstag abend besiegelten der designierte SPD-Ministerpräsident Ringstorff und PDS-Landesparteichef Holter in Schwerin ihr neues Bündnis. Die Kritik von der oppositionellen CDU erfolgte gestern unmittelbar: „Nur neun Jahre nach der Überwindung von Mauer und Stacheldraht ermöglicht die SPD Honeckers Erben die Rückkehr zur Macht“, durfte der scheidende Bonner CDU-Generalsekretär Peter „Rote Socke“ Hintze seinem Zorn ein letztes Mal öffentlich Luft machen.

Ringstorff, der am 3. November zum Regierungschef gewählt werden soll, verteidigte die Koalition mit der PDS und warnte vor einer „Ausgrenzung“ der SED-Nachfolgepartei. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, dessen SPD-Minderheitsregierung sich von der PDS tolerieren läßt, assistierte: Es sei richtig, die PDS in die Verantwortung einzubinden. Bundesweit argwöhnisch beäugt wurden die kostspieligen Arbeitsmarkt- und Finanzmodelle, die PDS und SPD vereinbart haben. Bayerns Regierungschef Stoiber (CSU) will „diesen Unsinn“ auf Dauer nicht über den Finanzausgleich finanzieren.

An diesem Samstag müssen die Sonderparteitage von SPD und PDS den Vertrag noch absegnen. Während die Zustimmung der SPD als sicher gilt, dürfte es für PDS- Landeschef Holter ein zähes Ringen um die nötige Zweidrittelmehrheit werden. Viele PDSler, wie die neubrandenburgische Kreisvorsitzende Irina Parlow oder die Bundestagsabgeordnete Sabine Jünger, ziehen eine Tolerierung vor. Sie scheuen Regierungsverantwortung und befürchten die „Selbstaufgabe“ der Partei. Diese gehe zu viele Kompromisse ein. Erst vor zwei Wochen hatte ein PDS-Parteitag Holter, der schon damals nur um eine Koalition verhandeln wollte, abgewatscht. Statt dessen mußte der PDS-Landeschef „ergebnisoffen“ verhandeln.

Wie um eine weitere drohende Niederlage zu verhindern, drohte PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch der Basis gestern: „Ich glaube, daß sich die politische Vernunft durchsetzen wird.“ PDS-Landesvize Barbara Borchert bleibt skeptisch: „Parteitage leben von der Stimmung.“

Heike Haarhoff Berichte Seite 2

Kommentar Seite 12

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