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„Forderung nach Zinssenkung weckt Illusionen“

■ Franz-Christoph Zeitler, Chef der Bayerischen Landeszentralbank, warnt vor Druck auf die Bundesbank

taz: Sehen Sie durch die Äußerungen von Finanzminister Oskar Lafontaine die Unabhängigkeit der Bundesbank angegriffen?

Franz-Christoph Zeitler: Eine offene und durchaus kontroverse Diskussion über Grundfragen der Währungspolitik ist nichts Schlechtes. Etwas anderes wäre allerdings, wenn man eine öffentliche Druckkulisse aufbauen wollte, um von der Bundesbank oder von der Europäischen Zentralbank konkrete Maßnahmen im Zinsbereich zu erreichen. Dem steht eindeutig der Maastrichter Vertrag entgegen. Der verbietet ja schon den Versuch einer Beeinflussung sowohl der nationalen Notenbanken wie der Europäischen Zentralbank, sei es öffentlich, sei es intern.

Die Rechte der EZB können nicht beschnitten werden. Warum werden Zinssenkungen verlangt?

Die Diskussion in der Geldpolitik ist so alt wie die Sache selber. Ich habe aber etwas die Sorge, daß mit der akzentuierten Forderung nach Zinssenkungen die Illusion erweckt wird, man könne die Strukturprobleme dadurch hinausschieben oder verdrängen. Wir müssen uns unseren Strukturproblemen widmen – Stichwort Steuerreform, dauerhafte Tragfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme, Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Würde man auf der anderen Seite versuchen, das Geld noch mehr zu verbilligen, dann gibt es vielleicht billigere Kredite, aber damit ist nicht sichergestellt, daß diese auch am Standort Deutschland eingesetzt werden. In einer offenen Wirtschaft fließen die möglicherweise in andere Standorte, wenn die besser sind.

Führen die Anhänger der Zinssenkung eine Scheindiskussion?

Man muß sich immer wieder an die Rangordnung der Ziele erinnern. Die Geldpolitik hat die Aufgabe, die Stabilität zu bewahren. Das tut sie am besten, wenn sie auch die monetären Grundlagen, die Entwicklung der Geldmenge, nicht aus den Augen verliert. Die Geldmenge wächst im Augenblick in Deutschland mit einer Rate von 4,9 Prozent. Das liegt im Zielrahmen der Bundesbank. Außerdem stehen wir kurz vor der Währungsunion, und das einheitliche Konvergenzzinsniveau in Europa wird jedenfalls auch in Richtung dessen gehen, was wir in Deutschland haben – nämlich 3,3 Prozent. Das bedeutet für das Euro-Land insgesamt eine Zinssenkung.

Die USA haben Zinsen gesenkt.

Sogar zweimal. Die Federal Reserve Bank kommt aber von einem viel höheren Zinsniveau her. Die kommen von 5,5 Prozent und sind jetzt bei 5 Prozent. Außerdem ist der Konjunkturzyklus in den USA ein anderer. Die haben einen viel längeren Vorlauf gehabt, und um den zu stützen, mußten die Amerikaner die Zinsen senken. Wir sind eigentlich eher in einer Aufschwungphase. Ich sehe ungefähr 2,5 Prozent Wachstum in Deutschland für 1998 und 1999. Also durchaus positiv.

Werden die Maastricht-Kriterien und der Stabilitätspakt aufgeweicht werden?

Ich hoffe nicht. Aber in der letzten Zeit hatte ich ein wenig die Sorge, daß der Stabilitätspakt mit seiner disziplinierenden Wirkung in der öffentlichen Diskussion etwas in den Hintergrund gerät gegenüber der Diskussion über Beschäftigungsmaßnahmen. Man muß auch sehen, daß wir am Kapitalmarkt ein historisch niedriges Zinsniveau von 2,5 bis 3 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt haben. Und dieses geht zum Teil auch auf das Vertrauen zurück, das der Euro durch den Stabilitätspakt an den internationalen Märkten genießt.

Können Sie sich vorstellen, daß Teile der Währungsreserven für öffentliche Beschäftigungsprogramme verwendet werden?

Generell wünsche ich mir, daß die Vorstellung, Währungsreserven für einmalige Haushaltszwecke zu verwenden, als die schlechteste aller Alternativen erscheinen möge. Am Arbeitsmarkt würde damit für die Konjunktur allenfalls eine Scheinblüte erreicht, die strukturellen Probleme blieben ungelöst. Zum anderen sind die Währungsreserven für die Notenbanken und auch für das europäische System der Zentralbanken eine wichtige Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsgrundlage. Die Notenbanken brauchen Währungsreserven, um von den Kapitalmärkten ernst genommen zu werden. Das gilt bei flexiblen Wechselkursen und müßte eigentlich um so mehr die überzeugen, die für Wechselkurszielzonen plädieren.

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