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AnalysePapier ist geduldig

■ In Nordirland verstreicht eine Friedensfrist nach der nächsten

Fristen sind dehnbar in Nordirland. Bis spätestens heute sollten die gesamtirischen Institutionen eingesetzt sein, so steht es im britisch-irischen Abkommen vom Karfreitag, das der Krisenprovinz Frieden bringen soll. Von den Institutionen ist man ebenso wie vom Frieden heute noch ein gutes Stück entfernt.

Der Friedensprozeß ist seit Wochen festgefahren. Streitpunkt sind die Waffen der paramilitärischen Organisationen. Unionistenchef David Trimble, Friedensnobelpreisträger und designierter Premierminister Nordirlands, weigert sich, seine Allparteienregierung zu nominieren: Solange die IRA nicht mit der Abrüstung begonnen hat, gibt es keinen Ministerposten für ihren politischen Flügel Sinn Féin, und ohne Sinn Féin gibt es keine Regierung. Trimble hat der IRA Zeit gegeben bis Februar, wenn das Regionalparlament seine Arbeit aufnehmen soll.

Das britisch-irische Abkommen ist in der Waffenfrage eindeutig: Die illegalen Organisationen sollen binnen zweier Jahre abrüsten, die im Regionalparlament vertretenen Parteien müssen ihren Einfluß in dieser Hinsicht geltend machen – sofern sie Einfluß haben. Das würde bedeuten, daß Sinn Féin ihre Schuldigkeit getan hätte, wenn sie die IRA zur Ausmusterung der Waffen drängt. Selbst wenn das erfolglos bliebe, könnte die Partei nicht aus der Regierung ausgeschlossen werden, denn nicht Trimble setzt die Regierung ein, sondern die Regierungsbildung ist ein automatischer Prozeß, der auf dem Wahlergebnis vom Juni beruht.

In der Realität zählen die Worte des Abkommens freilich nichts. Das unionistische Lager ist tief gespalten, Trimble wird von Abkommensgegnern in seiner eigenen Partei bedrängt. Er versucht, seine Schwierigkeiten zu instrumentalisieren, um das Karfreitagsabkommen auszuhöhlen. Fest steht, daß es ohne ihn und seine Partei kein Regionalparlament und keinen Friedensprozeß geben kann.

Die Sache kann ins Auge gehen, denn auch die Sinn-Féin- Führung hat mit internem Unmut zu kämpfen. Eine Herausgabe der Waffen als neue Vorbedingung für eine Umsetzung der Punkte, die im Abkommen eigentlich längst geregelt sind, ist den eigenen Leuten nur schwer zu verkaufen, zumal eine IRA-Konvention beschlossen haben soll, daß Abrüstung erst nach einem britischen Truppenabzug aus Nordirland in Frage komme. Das könnte nur von einer erneuten Generalversammlung aufgehoben werden.

Es liegt nun an den Regierungen in London und Dublin, zu reagieren. Doch Papier ist geduldig. Die Menschen in Nordirland werden es auch sein müssen, denn die heutige Frist ist bestimmt nicht die letzte, die ergebnislos verstreicht. Ralf Sotscheck

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