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■ SchlaglochKennt irgend jemand Frau Adenauer? Von Friedrich Küppersbusch

„Minister Lafontaine: Wie mächtig ist seine Frau?“

„Bild“-Schlagzeile,

vierspaltig, am

2.November 1998

„Kanzler Kohl: Wie mächtig kocht seine Frau?“ hätte das bis neulich gehießen und keine Sau, außer der diesbezüglich zubereiteten, interessiert. Dazwischen liegt der augenfälligste Modernisierungsschub seit dem Fischer sine Fru: „Christa Müller (42), ihre Kostüme (trägt oft Pepita-Look) läßt sie schneidern.“ Großer Bruder Bild am Sonntag hatte tags zuvor getitelt: „Lafontaine: Regiert seine Frau jetzt mit?“ Womit der kleine Unterschied, den die beiden Springer-Blätter aus kartellhygienischen Gründen gern pflegen, hinfortgewischt scheint. In der Stunde tiefster Not schließen sich die Reihen der Widerstandspresse: Daß die Sozen mal drankommen mußten, nun ja. Aber jetzt knallen ihre Bräute durch!

In der Beweisaufnahme führen beide Zeitungen an, Frau Müller habe vorsätzlich an den TV-Talks „Vorsicht! Friedman“ und „halb12“ teilgenommen und dies in Tateinheit mit fortgesetzter Meinungsäußerung. Dachzeile bei Bild: „Jetzt redet sie schon im Fernsehen mit – gestern 11.30 im ZDF.“ Das tat bei Ruprecht Esers ZDF-Frühstückchen auch Blüms Marita schon, die Raus schauten nach der Kirche vorbei, Dutzende Promipaare. Auch konservative Politiker stellten hier Gattinen vor, die mehr sind als die erwartete Bruttoregistertonne Gemütlichkeit im Blümchenkittel.

Aber, und da kommen die Anklageschriften zum Punkt: Die Müllerin „redete munter über Finanz- und Wirtschaftspolitik!“. Dabei hätte es doch auch ein HipHop-Remix des Koczian-Hits getan: „Das bißchen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann.“ Supi, Christa! Handkuß, setzen.

Schrödergerd hatte sich immerhin gerade noch rechtzeitig von der ihm angetrauten Einmannsekte getrennt. Sich, sagen wir mal, ein Stück weit entwirt mit einem r und keiner Sie. Die Hilluminatenschwester quatschte zum Schluß doch reichlich dazwischen gegen Atomkraft und Transrapid und den doofen Thierse. Das Kanzleramt verwirte Hiltrud auch schon beherzt: „Wir machen das!“ Da war Schluß. Der Gerd hat eben Köpfchen.

Ansonsten sind die beiden groß aufgemachten Geschichten – jeweils Titelschlagzeile plus zwei Beiträge auf Seite zwei – nicht der Lese wert. Noch im fetten Vorspann muß Bild am Sonntag die Hose runterlassen: „Bonn ist irritiert!“ wird ein wehrloses Dorf am Rhein in den Zeugenstand gerempelt; dann folgt ein Wasserfall aus Zeitungszitaten, Konjunktiven, Spekulationen und halsbrecherischen Schlußfolgerungen.

Die Empörung, die man sich wünscht, erzeugt man, indem man ihr Stattgefundenhaben behauptet. Auf zweihundert Zeilen bietet man nur einen Zeugen unter Klarnamen auf: „Unternehmensberater Roland Berger“ habe die rot- grünen Steuerbeschlüsse „eine Reform von Christa Müller für Lieschen Müller“ genannt. Mit wem schläft Berger, und trägt er dabei Pepita?

Bild käut den angedauten Schleim tags drauf noch mal wieder; diesmal fein in Kästchen sortiert. Und fieselt immerhin heraus, daß „der Druck auf die Bundesbank immer härter wird“. Das, in der Tat, scheint erwähnenswert. Als Theo Waigel vor einem Jahr die Goldreserven der Bundesbank ummünzte, war es Oskar Lafontaine, der von der Unabhängigkeit der Bundesbank tönte und den Gralshüter gab. Nun will er, darin von seiner Frau sekundiert, selbst den Währungshütern politische Orders erteilen. Und das stinkt natürlich. So könnte man das kommentieren.

Aber das ödet. Lecker Urangst machen erst politisierende Frauen. Es wird Prof. Theweleit schmerzen, daß ausgerechnet Springer- Redakteure seine Faschismusanalyse voll Rohr richtig begriffen haben. „Die Deutschen haben ihren Vater umgebracht“, erkannte eine belgische Zeitung, nachdem das deutsche Wahlvolk Helmut Kohl wieder zum einfachen Bundestagsabgeordneten degradiert hatte. Machtwechsel = Vatersuche? Gattenwerbung? Jedenfalls irgendwas, wo andere Mädchen nur bei stören. Hannelore Kohl meisterte ihre Amtszeit als vielfache deutsche Meisterin im Eigentlichgarnichtdasein. Kennt irgend jemand Frau Adenauer? Warum nannte Hitler Deutschland seine „Braut“ und entschied sich erst gegen Ende seiner beruflichen Laufbahn für die Ehe?

In dieser Denke hat eine mitregierende Frau nichts zu suchen. Drolligerweise in einer fortschrittlicheren Sicht auch nicht. Daß Lafontaine die bewährte, kompetente Ingrid Matthäus-Maier hinten aus dem Ministerium rausmobbt, um sich vorne femininen Sachverstand in Form seiner Frau wieder hineinzuholen, mag eine machtpolitische Standardnummer blaßlila umfloren. Saft statt Zäpfchen, der Wirkstoff bleibt! Es trägt den plakativen Erfordernissen der Massenmedien Rechnung, ein inhaltlicher Fortschritt ist es nicht. Seine Frau sei seine wichtigste Beraterin, hat Oskar unter glühenden Zangen gestanden. Das ist übrigens Originalton Helmut Kohl.

Hillary Clinton hat ihrem Bill, so ist es allgemeingültige Exegese, mit ihrem sozialpolitischen Engagement die erste Wahl gewonnen. Prompt säumten Scherzchen über Bill's Boss die Stand-up-comedies der Late Shows, und binnen eines Jahres war Hillary zum ambitionslosen Perückenständer niedergemobbt. Bild am Sonntag und die Berliner Morgenpost über Christa Müller: „Die Schattenfrau des Schattenmanns“.

Dienstag, am dritten Tag, verebbt die Attacke. Bild tritt in den üblichen Marginalformen „Heute ist Dienstag“ und „Leserbrief“ noch ein bißchen nach. Um die Müllersche als „Lady Macbeth“ apostrophieren zu können, rückt man acht endlose Erklärzeilen ein. Eine Fehlleistung, die normalerweise der verantwortliche Volontär zu Besserungszwecken persönlich vom Manuskript lecken müßte. Und in zwei Leserbriefen darf eine Frau gratulieren und ein Mann Christa Müller für das Elend des Saarlands verantwortlich machen. Na ja, hat nicht richtig funktioniert, war einen Versuch wert, wir kommen darauf zurück.

Statt dessen ziert den Titel der triumphale Erfolg der Brauenbewegung: Johannes Rau wird Bundespräsident! Schlagzeile: „Wieder keine Frau!“ Man fühlt die Verbitterung, die diese Entscheidung über die Bild-Redaktionen gebracht haben muß.

Übrigens gibt es Studien, wonach gerade Journalisten bei der Partnerwahl bevorzugt auf den Kollegenkreis zurückgreifen. Viele dieser Beziehungen sind als Kollegenehe getarnte Abschreibungsobjekte. Das ist in anderen Berufen nicht anders, und wenn sich jetzt die gesellschaftliche Realität gar bis in die unwirtliche Wildnis des Finanzministeriums vorwagt, so wünschen wir ihr gute Reise.

Oder sagen wir mal so: Der Hinweis auf Prof. Theweleit und ein paar Überlegungen zu Oskar Lafontaines Schlingerkurs gegenüber der Bundesbank sind von meiner Frau. „Jetzt schreibt sie schon in der taz mit – gestern abend in der Küche!“

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