: Schulklassen – gut für die Einschaltquote
■ Die Ausstellung „Genwelten“ zeigt in fünf Städten viel über die Gentechnik und wenig über ihre Folgen. Vor allem aber demonstriert sie das Elend der deutschen Museumspädagogik
Der Rundgang ist zu Ende. Doch die Dresdner Realschüler wissen noch immer nicht so recht, was sie in den letzten eineinhalb Stunden gesehen haben. Die 16jährigen wollen diskutieren, doch ihre Führerin hatte keine Zeit für Fragen. Und der Ethiklehrer, der die Klasse begleitet, fühlt sich unvorbereitet. Unterrichtsmaterial über Gentechnik hatte er nicht. Das Fragezeichen im Titel der Ausstellung „Genwelten – Werkstatt Mensch?“ im Dresdner Hygienemuseum enthüllt an diesem Vormittag seine Bedeutung.
Dann ist die Pause vorbei. Der zweite Teil des Programms für Schulklassen findet in einem eigens eingerichteten Labor statt. Bevor sie die DNS einer Zwiebel sequenzieren, müssen sich die Schüler 45 Minuten lang über Kleidungs- und Sicherheitsregeln belehren lassen. „Das sind meine Vorschriften“, weiß die Versuchsleiterin, eine arbeitslose Chemikerin mit ABM-Vertrag.
Eine halbe Million Menschen werden die fünf im März eröffneten „Genwelten“-Ausstellungen in Dresden, Bonn, Mannheim, München und dem schweizerischen Vevey bis Januar 1999 gesehen haben. Gut die Hälfte von ihnen kommt nicht aus freien Stücken, sondern im Klassenverband. Zur Halbzeit des Projekts soll die jüngste Zielgruppe durch Beilagen in Jugendmagazinen mobilisiert werden. Die Vorbereitung der Quotenbringer aber hat nicht nur das Hygienemuseum vernachlässigt. In der Kunst- und Ausstellungshalle Bonn verspätete sich die Öffnung eines Labor- und Internetraums für Schulklassen um mehrere Monate. Mittlerweile sind keine Termine mehr zu bekommen.
Didaktik ist in deutschen Museen traditionell weniger Sache derer, die die Ausstellungen gestalten, als der pädagogischen Dienste. Die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen ist oft schwierig. Nur im Mannheimer „Landesmuseum der Arbeit“ ist sie gelungen. Inmitten der Exponate werden spontan Experimente gezeigt. Lehrer kommen ins Museum, um sich über Gentechnik fortzubilden. Texte und Darstellung des Streitthemas gehen anders als an den anderen Ausstellungsorten über die vermeintlich neutrale Vermittlung der wissenschaftlichen Grundlagen hinaus.
Die Macher der „Genwelten“ wollten informieren. Also boten sie viel naturwissenschaftliche Theorie, aber allzu wenig über die sozialen Folgen genetischen Wissens. Sie wollten das Niveau der Debatte heben. Aber sie hatten kein Geld übrig für Medien, die aktuelle Erkenntnisse und Debatten in die Ausstellungen brächten. Sie versprachen, den Blick in die Labore zu öffnen. Die Unsicherheit und Unordnung des Alltags in der Forschung wollten sie den Besuchern dann doch nicht zumuten.
Die fünf Museen haben oft ihre Zusammenarbeit beschworen. Auch sie ist gescheitert: Die Idee einer gemeinsamen Finanzierung haben sie früh aufgegeben. Um einzelne Leihgaben konkurrierten die Häuser. Immerhin wollen die fünf Ausstellungsteams im Januar darüber konferieren, was sie aus dem Projekt gelernt haben. Derweil befragen Soziologen für eine Begleitstudie Macher und Besucher. „In erster Linie“, sagt Johannes Schmidt von der Universität Bielefeld, „wird es eine Institutionssoziologie.“ Die haben die Beteiligten auch bitter nötig. Stefan Löffler
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