„Berliner Boden droht Sumpf zu werden“

■ Michaele Schreyer, Haushaltsexpertin und grüne Fraktionschefin, warnt vor Fonds

taz: Wenn die Finanzsenatorin bei ihrer Konstruktion für den Liegenschaftsfonds bleibt, was bedeutet das für Berlin?

Michaele Schreyer: Die ganze Konstruktion dient hauptsächlich der Finanzkosmetik. Eine Milliarde Mark Zinszahlungen sollen aus dem offiziellen Haushaltsplan verschwinden, um einen Konsolidierungserfolg nachzuweisen. In Wahrheit bleibt Berlin Schuldner dieser Zinsverpflichtungen. Für die Stadtentwicklung ist die Konsequenz, daß nicht mehr Urbanität und Gemeinwirtschaft Nutzungsziele sind, sondern Rentabilität die Flächennutzung bestimmt. Kleingärten, Industrienutzung, gemeinnützige Projekte – dies alles wird nach und nach aus den innerstädtischen Gebieten verschwinden, weil sie Marktpreise für die Immobilien nicht zahlen können.

Nun ist ja aber nicht nur die Privatisierung an sich eine tiefgreifende Veränderung, sondern auch die Macht, die dem künftigen Verkäufer und Zwischenbesitzer damit in die Hand gegeben wird.

Man muß sich die Dimension vor Augen halten: 34 Millionen Quadratmeter Stadtfläche sollen im ersten Schritt in das Eigentum des Fonds und die Verfügung durch die privaten Geschäftsbesorger übergehen. Das bedeutet natürlich eine immense Marktmacht auf dem Immobiliensektor für ein privates Konsortium. Zehntausende von Gewerbetreibenden und Hausbesitzern, die Grundstücke vom Land in Erbpacht nutzen, haben es dann mit dem neuen Herrn des Bodens zu tun, für den Marktgesetze, nicht gemeinwirtschaftliche Kriterien der Bodennutzung zählen. Und für einen immensen Teil des Baulands in Berlin wird dann eine Firma entscheiden können, an wen zu welchem Preis verkauft wird und wer zu welchen Konditionen bauen kann.

Nach unserem Informationsstand sind Groth & Graalfs, die Veba-Tochter Raab-Karcher, die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft, eine Bankgesellschaft und der Stahlkonzern Thyssen-Krupp noch im Rennen um den Geschäftsbesorger. Wie bewerten Sie es, einem der Unternehmen die Machtposition zu übertragen?

Wenn eine Firma als Geschäftsbesorger für den Fonds ausgewählt wird, die ohnehin in Berlin schon eine dominante Stellung als Bauträger hat, dann ist das Fehlermaximierung. Dann droht aus Berliner Grund und Boden endgültig Sumpf zu werden.

Ihre Kritik der Interessenverflechtung betrifft vor allem den Bauunternehmer Groth & Graalfs ...

... Veba, auch den Thyssen- Konzern ...

... bei den anderen hätten Sie keine Bedenken?

Ich halte die vorgeschlagene Konstruktion insgesamt für den falschen Weg. Die Lebensqualität in Berlin ist stark geprägt von der Berliner Mischung und von vielem innerstädtischen Grün. Das haben wir dem hohen Anteil von kommunalem Grund und Boden zu verdanken. Wer auch immer den Zuschlag für den Liegenschaftsfonds bekäme – die Urbanität wird von der Rentabilität verdrängt werden. Interview: Barbara Junge