: Strom aus den Wäldern
■ Durch Fortschritte bei der Holzvergasung wird die Stromerzeugung aus Biomasse in Kürze wirtschaftlich sein. Die Nutzung der Holzfeuerung hat enorme Fortschritte gemacht
Nachdem Holzhackschnitzelanlagen in den vergangenen drei Jahren vor allem in Süddeutschland den Wärmemarkt erobern konnten, steht jetzt auch der Durchbruch auf dem Strommarkt bevor: Holzgasanlagen werden immer ausgereifter und besonders in jüngster Zeit zunehmend wirtschaftlich. „In ein bis zwei Jahren wird die Technik marktreif sein“, schätzt Markus Ising vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (IUSE) in Oberhausen. In der Pilotanlage des Institutes wird der Brennstoff Holz in einem Wirbelschichtreaktor in ein Gas umgesetzt, das zu etwa einem Drittel brennbare Bestandteile wie Methan, Wasserstoff und Kohlenmonoxid enthält. Die restlichen zwei Drittel machen nichtbrennbare Gase aus, vor allem Stickstoff und Kohlendioxid.
In einem als Blockheizkraftwerk genutzten Gasmotor wird das Holzgas schließlich verbrannt. Auf diese Weise können 25 bis 28 Prozent jener Energie, die in dem Holz steckt, in Strom umgewandelt werden – ein beachtlich großer Anteil. Da zudem große Mengen nutzbare Abwärme anfallen, ist das Verfahren attraktiv. „Anlagen mit 5 bis 30 Megawatt Feuerungsleistung werden sich bald wirtschaftlich betreiben lassen“, schätzt Wissenschaftler Ising.
Andere Verfahren der Stromerzeugung mittels Holzverbrennung sind zwar bekannt, aber bei weitem nicht so effektiv wie die Vergasung. Wird in einem Kessel, der mit Holz befeuert wird, Dampf für den Betrieb einer Dampfturbine erzeugt, so ist der Wirkungsgrad, also die Energieausbeute, gerade halb so hoch wie bei der Vergasung. Deshalb sind sich Ingenieure einig, daß eine wirtschaftliche Stromerzeugung mit Holz nur auf dem Weg der Vergasung erfolgen kann.
Besonders wenn Althölzer verwertet werden können, wird die Holzverstromung attraktiv. Die Firma G.A.S. Energietechnik in Krefeld betreibt seit einem Jahr in Leipzig eine Versuchsanlage, in der Altholz verstromt wird. 7.000 Tonnen Holz werden darin pro Jahr verwertet, bei einer Feuerungsleistung von vier Megawatt und einer elektrischen Leistung von einem Megawatt. Die Firma errechnete einen Strompreis von 15,3 Pfennig je Kilowattstunde und einen Wärmepreis von fünf Pfennig und liegt damit im wirtschaftlichen Bereich. Das Unternehmen spricht bereits vom „Durchbruch in eine neue Generation der Holzvergasung“.
Genau genommen ist das Prinzip Holzvergasung schon recht alt – es mußte nur optimiert werden. Bereits 1791 begann der französische Ingenieur Philipp Lebon seine Studien über „das Gas, das beim Erwärmen von Holz entsteht“. Noch im gleichen Jahr setzte er das Gas zur Beleuchtung des Leuchtturmes im französischen Le Havre ein. 30 Jahre später, 1921, wurde Holzgas erstmals als Treibstoff für Autos eingesetzt, und bald fuhren in Mitteleuropa eine halbe Million Fahrzeuge mit Holzvergasern. Auch in Kraftwerken wurde die Technik der Holzvergasung vereinzelt genutzt: In Haslach im Kinzigtal zum Beispiel erzeugte von 1936 an eine Holzgasanlage 340 Kilowatt Strom. Doch das billige Öl beendete die Ära der Holzvergasung nach dem Zweiten Weltkrieg.
Mit der Ölkrise in den 70er Jahren keimte erstmals wieder Interesse an der Technik auf. Und in jüngster Zeit sind es die drohenden Klimaveränderungen, die die Kreativität der Ingenieure beflügeln. Obwohl billiges Öl die Holzverstromung lange unrentabel machte, erkannten Unternehmer in den vergangenen Jahren zunehmend diesen Zukunftsmarkt – wissend, daß die fossilen Energieträger Öl und Gas in Zukunft nicht mehr so billig zu haben sein werden wie heute. Die aktuellen Forschungen gehen in unterschiedliche Richtungen. Während zum Beispiel die Firma DMT in Essen auf die Gewinnung von Wasserstoff aus Biomasse setzt, betreibt die Firma Solo Kleinmotoren in Sindelfingen die Holzverstromung mittels Stirlingmotoren.
Wer aber wird die umweltfreundlichen Holzgaskraftwerke künftig betreiben? „Die großen Stromversorger nicht“, vermutet Markus Ising, weil die lieber den Strom ihrer konventionellen Großkraftwerke verkaufen wollten. Stadtwerke könnten dagegen an der neuen Technik Interesse haben, schätzt der Wissenschaftler, ebenso wie Industriebetriebe oder auch die Land- und Forstwirtschaft, die oft große Mengen von Biomasse zur Verfügung hat.
Der erste Anwender könnte tatsächlich ein kommunaler Stromversorger sein. Die Stadtwerke Schwäbisch Hall, die sich in jüngster Vergangenheit schon mehrfach als ökologischer Vorreiter profilierten, planen bereits ein Holzkraftwerk. 25 Megawatt Strom und Wärme will Stadtwerke-Chef Johannes van Bergen möglichst bald aus Holz gewinnen, das in den Wäldern rund um Schwäbisch Hall anfällt oder als Abfallholz von der örtlichen Holzindustrie geliefert wird. Dann wird der engagierte Stadtwerke-Chef geschafft haben, wovon viele Städte träumen: Die Stadt wird 100 Prozent ihres Stromes selbst erzeugen – und noch mehr sogar. Schwäbisch Hall wird also dank Holzfeuerung künftig zu den Stromexporteuren zählen. Bernward Janzing
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