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Senat verkauft Ratsherrn

Holsten nimmt der Stadt die Bavaria-Brauerei ab und gibt mehrjährige Garantien für Standort und Arbeitsplätze  ■ Von Sven-Michael Veit

Freundlicher Beifall für den scheidenden Chef und ebensolchen für den künftigen: Eher mit Erleichterung denn mit Euphorie nahm die Belegschaft der Bavaria-St.-Pauli-Brauerei gestern nachmittag die Botschaft vom Verkauf des mit 351 Jahren ältesten Hamburger Brauhauses an den Holsten-Konzern entgegen.

Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) und Holsten-Chef Wilfried Rinke verkündeten in der Kantine der Kiez-Brauerei, daß sie eine Stunde zuvor den Kaufvertrag unterzeichnet hatten. Wenn die Bürgerschaft zustimmt, woran Runde „nicht zweifelt“, gilt der Verkauf zum 1. Januar 1999. Etwa 110 Millionen Mark zahlt der drittgrößte deutsche Bierbrauer „nach knackigen Verhandlungen“, wie Rinke seufzte, an die Hansestadt, die seit Januar Bavaria-Eigentümerin ist.

Zu Jahresanfang hatte Hamburg für denselben Preis die Brauerei in der Bernhard-Nocht-Straße dem damaligen Eigentümer, dem Dortmunder Konzern Brau und Brunnen abgekauft, der die Filiale auf St. Pauli schließen wollte. Erklärtes Ziel des Senats war es damals, die Arbeitsplätze zu sichern und nach einem privaten Investor zu suchen.

Holsten verhandelte am dollsten: Der Getränkekonzern aus Altona verpflichtet sich, den Standort für mindestens drei Jahre zu garantieren. Die 220 Bavaria-Mitarbeiter erhalten eine Beschäftigungsgarantie bis mindestens Januar 2003. Solange gilt die freiwillige Absenkung der Tarife um 8 Prozent weiter, welche die Beschäftigten im vorigen Jahr „als Sanierungsbeitrag“ akzeptiert hatten. Rinke versprach der Belegschaft, daß die Sorten „Astra“ und „Ratsherrn“ erhalten blieben und Bavaria auch künftig weitestgehend eigenständig agieren werde.

Er sei mit dem Vertrag „sehr zufrieden“, hatte der sichtlich gutgelaunte Bürgermeister am frühen Nachmittag auf einer Pressekonferenz im Rathaus erklärt. Die Rettung sei auch und gerade deshalb eine „sehr erfolgreiche Aktion“, weil „die Stadt und damit die Steuerzahler keine einzige Mark Verlust bei dem Geschäft machen“. Es sei „mit null Pfennig“ gelungen, „eine Beschäftigungssicherung mit einer den Stadtteil belebenden Standortsicherung zu verbinden“, meinte Runde und genehmigte sich zusammen mit Rinke und dem Bavaria-Betriebsratsvorsitzenden Werner Henne ein Pils.

Dem bei der Belegschaft ob seines Einsatzes für den Erhalt des Betriebes hochbeliebten Henne gelang es später, etwas Stimmung in der Kantine zu entfachen. „Ihr könnt alle mehr als zufrieden sein“, rief er den fast vollzählig erschienenen MitarbeiterInnen zu. „So ein Angebot gibt's nur einmal, und damuß man einfach ja sagen.“ Und stellte, an Holsten-Chef Rinke gewandt, unter donnerndem Applaus klar, daß Versprechen zu halten seien: „Und wenn das einer nicht tut, dann kennen wir Bavarianer nur eines: Dann gibt's was auf die Nase.“

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