Von Bock Prozeß wird wiederholt

■ Ex-Innenstaatsrat bekommt Pflichtverteidiger. Wesentliche Teile der Beweisaufnahme müssen wiederholt werden. Prozeß kommt Steuerzahler unter Umständen teuer zu stehen

Der Prozeß gegen den ehemaligen Innenstaatsrat Hans-Georg von Bock und Polach, der sich derzeit vor dem Amtsgericht Bremen wegen Strafvereitelung im Amt verantworten muß, kommt den Steuerzahlern unter Umständen teuer zu stehen. Grund: Das Landgericht hat von Bock, dem vorgeworfen wird, als Oberstaatsanwalt Strafverfahren nicht ordnungsgemäß bearbeitet zu haben, einen Pflichtverteidiger zuerkannt. Das hat Richter Friedrich Wulf gestern im Rahmen der Verhandlung bekanntgegeben.

Die Entscheidung hat schwerwiegende Folgen: Wesentliche Teile der Beweisaufnahme müssen wiederholt werden. 26 Prozeßtage hat das Amtsgericht bisher verhandelt. Rund 40 Zeugen sind vernommen worden. Sie werden alle noch einmal vorgeladen. Die Gesamtkosten für den Prozeß dürften sich vorsichtigen Schätzungen zufolge auf eine fünfstellige Summe belaufen. Nur wenn von Bock verurteilt wird, trägt er diese Kosten. Ansonsten würden die Kosten, die sich durch die Wiederholung verdoppeln, aus der Staatskasse gezahlt. Selbst bei einer Einstellung gegen Auflagen müßte von Bock nur die Rechnungen seines Verteidigers bezahlen. Der Rest würde aus der Staatskasse bezahlt.

Von Bock trat 1997 wegen der sogenannten Aktenaffäre zurück. Nach seiner Berufung zum Staatsrat waren in dem Dienstzimmer des ehemaligen Oberstaatsanwalts 178 unerledigte Akten gefunden worden. Seit seinem Rücktritt kassiert von Bock 75 Prozent seiner Staatsrats-Bezüge, das sind etwa 10.000 Mark im Monat.

Das Amtsgericht hatte abgelehnt, dem Volljuristen von Bock einen Pflichtverteidiger zur Seite zu stellen. Ein Pflichtverteidiger wird Angeklagten unter anderem nur beigeordnet, wenn die Tat besonders schwer wiegt, das Verfahren juristisch schwer ist oder der Beschuldigte nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen. Das Amtsgericht war der Meinung, daß es von Bock durchaus zuzumuten sei, sich selbst zu vertreten oder durch einen Wahlverteidiger vertreten zu lassen. Von Bock legte Beschwerde beim Landgericht ein und bekam recht. Ein endgültiger Beschluß nebst Begründung liegt noch nicht vor. Das Gericht hat die Entscheidung allerdings schon gegenüber Wulf angekündigt.

In Justizkreisen sorgt die Entscheidung für Kopfschütteln. Als Oberstaatsanwalt ist von Bock am Landgericht bestens bekannt. Nach Recherchen der taz hat ein Richter sogar Selbstanzeige wegen Befangenheit gegen sich erstattet, um nicht entscheiden zu müssen, ob von Bock ein Pflichtverteidiger zusteht oder nicht. Der Richter hatte seine Befangenheit damit begründet, daß er früher selbst Staatsanwalt gewesen sei und mit von Bock zusammengearbeitet habe. Eine Begründung, die in Justizkreisen ebenfalls für Verwunderung sorgt. Am Gericht hat fast jeder, der länger als drei Jahre im Amt ist, mit von Bock zusammengearbeitet. Außerdem gelten dienstliche Beziehungen, nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshof nicht als Befangenheitsgrund.

Wulf machte gestern aus seiner Überraschung über die Entscheidung des Landgerichts keinen Hehl. Die Prozeßbeteiligten sollten die Folgen „im Herzen bewegen“, mahnte er. Schon vor Wochen hatten Gericht und Staatsanwaltschaft signalisiert, daß sie das Verfahren unter Umständen gegen eine Geldauflage von 50.000 Mark einstellen würden. Von Bock lehnte ab. Er will einen Freispruch.

Kerstin Schneider