: Debatte um Islamunterricht
■ Nach dem Urteil zum Islamunterricht an Schulen haben sich 15 türkische Organisationen und die GEW an einen Tisch gesetzt. Konsens: Islamische Förderation ist ungeeigneter Träger
Nach dem Gerichtsbeschluß zum Islamunterricht haben sich erstmals zahlreiche türkische Organisationen und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zusammengefunden, um über Maßnahmen zu diskutieren, wie der Religionsunterricht der umstrittenen Islamischen Förderation an Schulen noch zu verhindern sei.
Konsens sei, so Kenan Kolat vom Türkischen Bund Berlin- Brandenburg (TBB), daß die Islamische Föderation nicht geeignet sei, Religionsunterricht an Schulen durchzuführen. Die Föderation, die in der vergangenen Woche vom Gericht als Religionsgemeinschaft und somit Träger eines islamischen Religionsunterrichts anerkannt worden ist, sei eine „islamische politische Organisation“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. „Wir wenden uns strikt dagegen, daß diese parteiische Organisation Religionsunterricht erteilt.“ Unterzeichner sind neben dem TBB unter anderem das Kulturzentrum Anatolischer Aleviten und die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB). Beide Vereine wollen in der Zukunft ebenfalls Religionsunterricht anbieten. Die 15 Organisationen, die laut TBB 90 Prozent der in Berlin lebenden TürkInnen repräsentieren, kündigten außerdem an, die Senatsschulverwaltung dabei zu unterstützen, den Gerichtsbeschluß doch noch auf dem Rechtsweg zu ändern.
Diskussionsversuche über ein Angebot von islamischen Religionsuntericht waren 1995 und Anfang dieses Jahres gescheitert, weil laut Kolat die Interessen zu unterschiedlich gewesen seien: „Manchmal müssen erst bestimmte Dinge wie das Urteil passieren, daß man konstruktiv zusammenkommt.“
Grundsätzlich sprachen sich die 15 Gruppen jetzt für islamischen Unterricht aus: „Solange Kindern katholischen, protestantischen und jüdischen Glaubens innerhalb der Berliner Schulen Religionsunterricht erteilt wird, fordern wir weiterhin, daß auch die Möglichkeit geschaffen werden muß, innerhalb der Schulen den Islam zu erlernen.“ Über mögliche Modelle sei aber noch nicht gesprochen worden. Einen Dachverband verschiedener islamischer Organisationen, die Religionsunterricht anbieten könnten, sei ausgeschlossen worden. „Es ist objektiv schwierig, einen gemeinsamen Träger zu schaffen, weil die Organisationen in etliche Konfessionen zerfallen“, erklärte Sanem Kleff, die bei der GEW für multikulturelle Angelegenheiten zuständig ist.
Die islamische Gemeinschaft Milli Görüș begrüßte gestern das Urteil. Ein islamischer Unterricht in der Verantwortung der Religionsgemeinschaften und unter staatlicher Aufsicht sei eine verfassungsrechtliche und demokratische Selbstverständlichkeit, die aber bis jetzt nicht verwirklicht worden sei, erklärte die Organisation, die vom Verfassungsschutz als islamisch-extremistisch eingestuft wird. Julia Naumann
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