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„Zauberflöte“ rettet Tacheles

Die drohende Räumung des Kulturzentrums in Berlin-Mitte ist abgewendet. Kulturmanager Heiner Steiner vermittelt einen günstigen Mietvertrag auf zehn Jahre  ■ Von Gereon Asmuth

Nach jahrelangem Streit gibt es nun eine überraschende Lösung für das Kulturhaus Tacheles in der Oranienburger Straße in Berlin- Mitte. Die Kölner Investorengruppe Fundus und der Tacheles- Verein, der das Haus betreibt, haben einen Mietvertrag für vorerst zehn Jahre abgeschlossen.

Die Miete beträgt nur eine symbolische Mark pro Monat. Zusätzlich übernimmt Fundus die denkmalgerechte Grundsanierung der Kaufhausruine und verzichtet auf inhaltliche Einmischung in den kulturellen Betrieb. Die Gestaltung des Hauses bleibt beim Tacheles-Verein. Die Einigung kam auf Vermittlung des Kulturmanagers Heiner Steiner zustande, der nun offizieller Mieter des Gebäudes ist. Er schloß mit dem Tacheles-Verein einen Untermietvertrag zu gleichen Konditionen ab.

Steiner hatte im Sommer die Aufführung der Mozartoper „Zauberflöte“ in einem Zelt auf einer Freifläche neben dem Tacheles produziert. „Bei der Premiere im August habe ich die Vertreter von Fundus und Tacheles in eine Loge plaziert“, schmunzelte Steiner gestern bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Fundus-Geschäftsführer Anno August Jagdfeld und dem Tacheles-Vorstand. Dabei habe es erste Gespräche gegeben.

Anfang 1990 war die geplante Sprengung der Kriegsruine eines Kaufhauses durch die Besetzung von Künstlern verhindert worden. Das Tacheles wurde mit Ateliers, Theater, Kino und Café schnell zu einem weit über die Stadt hinaus bekannten Zentrum der Off-Kultur. Fundus erwarb ein rund 30.000 Quadratmeter großes Grundstück inklusive der Tacheles-Ruine vom Bund. Seit 1994 plant die Investorengruppe in der Gegend den Neubau des Johannis-Viertels mit Wohnungen, Büros und Läden. Von Anfang an sollte dabei das Kulturhaus nicht nur erhalten, sondern als lukrativer Standortfaktor einbezogen werden. Doch über einen Vertrag konnten sich beide Seiten nicht einigen. Fundus beharrte auf einer Stiftung, deren Kulturbeirat das künstlerische Niveau überwachen sollte, und wollte Untervermietungen kontrollieren. Die Tacheles-Betreiber befürchteten den Verlust ihrer künstlerischen Autonomie und lehnten das Angebot im März 1997 ab.

Der Berliner Kultursenator Peter Radunski (CDU) strich daraufhin jegliche Förderung. Die Oberfinanzdirektion (OFD), die das Grundstück im Auftrag des Bundes verkaufen sollte, verklagte den Tacheles-Verein erfolgreich auf Räumung. Eine im April 1998 bereits angesetzte polizeiliche Teilräumung des Gebäudes wurde nur aus formaljuristischen Gründen ausgesetzt.

„Nach dem Aktenstudium kam es mir vor, als wäre hier ein Liebespaar, das beieinanderbleiben wollte, sich aber über Einzelpunkte nicht verständigen konnte und sich daher getrennt hat“, erzählte Heiner Steiner gestern. Er habe das Glück, als Mensch, der sich sowohl mit wirtschaftlichen wie mit kulturellen Fragen auskenne, das Vertrauen beider Seiten zu genießen.

Fundus-Chef Jagdfeld plant nun eine kleinteilige Bebauung der Freiflächen mit 40 Häusern von 40 Architekten. Als Vorbilder nannte er das Londoner Stadtviertel SoHo und das New Yorker Greenwich.

„Der Vertrag ist keinesfalls ein Griff nach dem letzen Strohhalm“, betonte Bettina Hertrampf vom Tacheles-Vorstand. Man könne sich nun wieder verstärkt der künstlerischen Arbeit widmen. Dafür gebe es jetzt einen „absoluten Freiraum“. Zudem sei man nicht mehr darauf angewiesen, ausschließlich No-Budget-Projekte zu realisieren.

Axel Wallrabenstein, Sprecher des Kultursenators, kündigte an, das Tacheles ab 1999 wieder in die Kulturförderung aufzunehmen. Über die Höhe müsse noch verhandelt werden. „Die Lösung hat Modellcharakter“, lobte Wallrabenstein, dessen Verwaltung als Moderator zwischen Fundus und Tacheles gescheitert war.

Bei aller Freude bleibt ein Problem: Auf ein Gerichtsurteil gestützt, verlangt die OFD vom Tacheles rückwirkend fast 5,3 Millionen Mark Nutzungsentgelt für das Gebäude. „Die Forderung kann nicht einfach niedergeschlagen werden“, so OFD-Referent Jochen Kallabis, sie werde aber nun „nach Recht und Gesetz“ überprüft.

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