Kommentar: Stahmer und das neue Schulgesetz
■ Getrübte Aufbruchstimmung
Mit dem Entwurf für ein neues Schulgesetz, den die Schulverwaltung jetzt vorgelegt hat, scheint endlich Bewegung in die verkrustete Schullandschaft zu kommen. Mehr Autonomie wird versprochen. Zum Beispiel können Schulen zukünftig über ihre Lernangebote eigenständiger entscheiden. Hat die Schule ein besonderes Profil, für das sie passende Lehrer benötigt, sollen Schulleiter über deren Einstellung selbst entscheiden können.
Doch neben diesen neuen Freiheiten, die den Schulen mehr Selbständigkeit und somit auch mehr Selbstbewußtsein verschaffen, kommen auch Ideen aus dem Hause der Schulsenatorin Stahmer, die absolut rückwärtsgewandt sind: So sollen die Eltern nicht mehr alleine darüber entscheiden können, ob ihr Kind nach der Grundschule auf ein Gymnasium geht oder nicht. Eine „Bildungsgangempfehlung“ soll das Niveau der Ausbildung sichern und die Zahl der Abbrecher auf dem Gymnasium senken.
Doch dabei handelt es sich nur um einen geringen Prozentsatz: 80 Prozent der SchülerInnen, die eine sechsjährige Grundschule besucht haben, bleiben auf der Oberschule, die von der Grundschule empfohlen wurde. Ein scheinbar objektives Gutachten, daß den Elternwillen zurücksetzt, ist anhand dieser geringen Anzahl von „Fehlentscheidungen“ überflüssig. Den Eltern wird damit die Eigenverantwortlichkeit für ihre Kinder aus der Hand genommen. Sie können, mit Unterstützung der Lehrer, immer noch am besten entscheiden, welche Schule für ihr Kind sinnvoll ist.
Ähnlich rückständig wäre es, wenn auch auf Gymnasien eine zentrale Prüfung nach der 10. Klasse eingeführt würde. Das führt zu einer ständigen Auslese. Mit einer solchen Prüfung würden sich die SchülerInnen nur noch aufs Pauken, auf Noten konzentrieren. Besondere Lernformen und Schulexperimente, wie es sich die Schulverwaltung paradoxerweise gleichzeitig wünscht, würden damit auf der Strecke bleiben.
Das Probehalbjahr in der 7. Klasse reicht als Auslesekriterium. Wer es absolviert hat, sollte auch die Möglichkeiten behalten, auf einem Gymnasium das Abitur zu machen.
Für den Standard von Schulen ist es wesentlich wichtiger, daß sich die Schulen endlich selbst evaluieren. Denn dadurch können Mißstände in der Lehre, aber auch Mißerfolge von SchülerInnen erkannt und womöglich beseitigt werden. Julia Naumann
Bericht Seite 22
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