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Der Herr des Geldes

Wolfgang Rupf, seit 1997 Vorstandssprecher der Bankgesellschaft Berlin, des beherrschenden Geldinstituts der Hauptstadt. Ein Mann, der hoch hinaus will: Den viertgrößten Bankkonzern der Republik wollte er durch eine Fusion mit der Norddeutschen Landesbank schaffen. Doch gerade haben sich seine Pläne zerschlagen. Rupf sucht nun einen neuen Weg  ■ Von Hannes Koch

Wolfgang Rupf liebt es, rasant den Berg hinunter zu brettern. Erst in der Fallinie setze das echte Prickeln ein. Skifahren, ist der gebürtige Schwabe überzeugt, „kann ich gut“. Einer Schußfahrt ins Tal ähnelte seine Ankunft bei der Bankgesellschaft Berlin Ende 1996.

Eigentlich sollte alles gemach vonstatten gehen. Rupf rückte im Herbst in den Vorstand ein, um – so sah es die Planung vor – ein gutes halbes Jahr später den Sprecherposten von seinen Vorgängern Hubertus Moser und Wolfgang Steinriede, zwei altgedienten Berliner Bankern, zu übernehmen. Doch die Ereignisse überschlugen sich. Entweder hatte man den Neuen verschaukelt, oder er hatte vorher nicht genau genug hingeschaut. Rupf traf beim Blick in die Bücher dann fast der Schlag. Der zurückhaltende Jurist beschreibt seinen damaligen Eindruck als „Schock“. Da häuften sich faule Kredite, und der Konzern erschien als Sammelsurium ohne inneren Zusammenhalt, ohne integrierte Datenverarbeitung und Organisationsstrukturen. Der drahtige Banker räumte auf. Rupf setzte durch, daß außer Moser und Steinriede auch andere Mitglieder der alten Garde schnell ihre Posten verließen und er selbst schon zu Jahresbeginn 1997 das Chefbüro bezog. Kurz darauf überraschte er die Öffentlichkeit mit einem gigantischen Bedarf an „Wertberichtigungen“: 2,5 Milliarden Mark legte die Bank zurück, weil Verluste in dieser Größenordnung drohten. Für Saubermann Rupf war diese Maßnahme sowohl ein „Anstoß zur Selbstbesinnung im Konzern“ als auch ein Akt des Selbstschutzes. Mit möglichst wenigen Leichen im Keller wollte er seine Karriere in der neuen Hauptstadt Berlin beginnen.

Der trainierte Skifahrer setzt erst zum Talritt an, wenn er sicher ist, daß ihm niemand aus dem Gesträuch an der Piste unvorhergesehen zwischen die Bretter rutscht: Rupf hatte den Aufsichtsrat mit Ex-Daimler-Chef Edzard Reuter an der Spitze hinter sich.

Im Gespräch oder auf Pressekonferenzen macht der im Juli 1942 geborene Finanzmann einen mißtrauischen und unzugänglichen Eindruck. Leicht zurückgelehnt beobachtet er durch halb geschlossene Lider die Szenerie – taxierend und vorsichtig. In Distanz geübt, leistet er sich keinen Fehler und sagt Sätze von Schröderscher Qualität: „Der politische Einfluß auf die Bankgesellschaft ist weder zu stark noch zu schwach.“

Der Banker, der sein Fach bei der Commerzbank, der Bayerischen Vereinsbank, der Effectenbank Warburg und der Frankfurter BHF-Bank gelernt hat, nimmt nun eine zentrale Stellung in der Berliner Wirtschafts- und Finanzwelt ein. Die Bankgesellschaft ist das größte Institut mit Sitz in der Hauptstadt und dementsprechend einflußreich. Bei vielen Großprojekten wie dem Ausbau des Berliner Flughafens Schönefeld mischt sie mit.

Konzern und Staat sind eng miteinander verflochten, weil dem Land Berlin 56,8 Prozent der Bankaktien gehören. Die Geschäftspolitik des Vorstandes wirkt unmittelbar auf den politischen Spielraum der Landespolitik zurück. Obwohl es laut Rupf „betriebswirtschaftlich nicht vertretbar“ war, für das schlechte Jahr 1996 eine Dividende zu zahlen, sprang der Vorstand über seinen Schatten. „Wenn es dem Land besser ginge, hätten wir uns das Geld gespart“, sagt Rupf.

Rund 135 Millionen Mark flossen in die Kassen der Berliner SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing, die als Vertreterin der öffentlichen Hand im Aufsichtsrat ein Wörtchen mitzureden hat. Ohne die Finanzspritze wären noch mehr staatlich geförderte Sozialprojekte und Kultureinrichtungen zusammengestrichen worden.

Wolfgang Rupf stützt seine Argumente und Einschätzungen auf Zahlen. Meint er, seinen Weg durch das politische Minenfeld erkannt zu haben, formuliert er einfache und klare Statements, die so manchem Hauptstädter in den Ohren klingen.

Ein Realist in einer Stadt voller Utopisten

Berlin, so die Diagnose des westdeutschen Bankers, habe keine Chance, wieder zum großen Finanzplatz aufzusteigen. Im Einzugsbereich der Preußenmetropole mit ihrer bescheidenen industriellen Basis lebten schließlich nur sieben Millionen Menschen. Kein Vergleich zu Düsseldorf oder Frankfurt am Main, deren bevölkerungsreiche Ballungszentren in große Industrie- und Dienstleistungsregionen mit weitreichenden internationalen Verflechtungen eingebettet seien.

Wenn der Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftskraft enge demographische Grenzen gesetzt seien, wie sollten dann hiesige Regionalbanken zu Superkonzernen mutieren? Welchen Grund hätten auswärtige Banken, an die Spree überzusiedeln?

Rupf macht damit nicht nur Front gegen den Utopismus eines Edzard Reuter, der Berlin einst in die Elite der Global Citys mit transkontinentaler Wirtschaftsdominanz wie London, New York oder Hongkong aufsteigen sah. Er zieht auch den Phantasten wie Bürgermeister Eberhard Diepgen oder Ex-Wirtschaftssenator Elmar Pieroth den Zahn, die den Dörfern vor der polnischen Grenze das Potential zur Wirtschaftsmetropole bescheinigen.

Der Neuberliner, der erst im Sommer 1997 mit Familie, Sack und Pack Frankfurt verließ, hat so seine Schwierigkeiten mit den Eigenheiten der Stadt, die ein halbes Jahrhundert Abschottung nach außen erlebte.

„Das kann doch nicht wahr sein“, stößt er hervor und blickt flehend zur Decke. Dann bricht das Temperament durch: Er redet mit den Händen, faltet sie und knetet die Finger. Nicht selten, ereifert sich der Rationalist, würden sich die märkischen Emotionen an der Umbenennung irgendeiner Vorstadtstraße entzünden und tagelang die erste Zeitungsseite füllen. Dann komme er sich vor, als habe es ihn aus der Weltwirtschaft nach Kleinkleckersdorf verschlagen.

Mitfühlend beobachtet er die Nachwende-Depression. Die grassierende Arbeitslosigkeit habe die Einwohner wie ein Schock getroffen, doch charmant lächelnd fügt Rupf hinzu: „Die Berliner müssen runter von ihrem Ruhekissen.“ Neue Zeiten brächten neues Personal in die Stadt, das über „eigene Netzwerke“ und Handlungsmaximen verfüge und die alten Seilschaften völlig zu Recht durcheinanderbringe. Er meint zum guten Teil seine eigene Putzaktion im Institut.

Jeden Morgen vor der Arbeit joggt der hochgewachsene, schlanke Chef drei, manchmal fünf Kilometer durch den Grunewald – gezogen von seinem Hund. Während der Grad der Anstrengung beim Frühsport nicht zuletzt von der Menge des am Vorabend konsumierten Rotweines abhängt, kann er sich die Herkulesaufgabe bei der Bankgesellschaft selbst kaum erleichtern.

Ihre drei Säulen Landesbank, Berliner Hypothekenbank und Berliner Bank führten auch nach der Gründung der Bankgesellschaft 1994 ein ausgeprägtes Eigenleben, das Rupf nunmehr durch eine „Familienkultur“ ersetzen will. Eine gemeinsame Datenverarbeitung, neue Abteilungen für die Plazierung von Kundenvermögen in Investitionsvorhaben und für Immobiliendienstleistungen – all das kostet viel Geld und führt allein nicht dazu, die Zahl der knapp 17.000 Beschäftigten wie geplant zu senken.

Allerdings ist Wolfgang Rupf niemand, der die Vernichtung von Jobs für ein Allheilmittel hält. Finanzsenatorin Fugmann-Heesing bezeichnet ihn als „Unternehmer mit sozialer Verantwortung“. Was Personal und Gewerkschafter freut, sehen manche Wirtschaftsjournalisten und Aktionäre jedoch mit Grauen.

Ob Rupf das schalkhaftes Lachen vergeht, wird sich zeigen. In weiten Teilen Ostdeutschlands erschweren Leerstände und Mietausfälle im Immobiliengeschäft die Kreditrückzahlung der Bauinvestoren. Doch gerade im Immobiliensektor expandiert die Banktochter BerlinHyp unter der Führung Landowskys und beansprucht, die größte Anbieterin geschlossener Immobilienfonds in ganz Deutschland zu sein.

Eine riesige Bauinvestition, an der die Bankgesellschaft mit immerhin 70 Millionen Mark beteiligt ist, stuft selbst Wolfgang Rupf als risikoreiches Unterfangen ein. Mit Staatsgeldern in Höhe von 240 Millionen Mark will die brandenburgische Landesregierung in der südlich von Berlin gelegenen Lausitz – dort, wo seit der Abwicklung der Braunkohleförderung fast nichts mehr passiert – eine Formel-1-Rennstrecke bauen lassen. Der Bedarf wird allgemein bezweifelt. Soeben ist wieder ein Investor abgesprungen. Bleiben noch der Automobilclub ADAC und die Bank. Deren Geld könnte sprichwörtlich in den märkischen Sand gesetzt sein.

Edzard Reuter hat Rupf nach Berlin geholt, weil sie in einigen realistischen Einschätzungen übereinstimmten. Reuter hält es für „hoffnungslos“, sich mit der Bankgesellschaft auf internationales Parkett zu stürzen. Wolfgang Rupf sieht das ähnlich: Das Berliner Geldhaus habe nicht das Zeug, internationaler Produkt- oder Technologieführer zu sein, und könne auf den globalen Märkten nicht bestehen. Er betrachtet die Bankgesellschaft als Regionalinstitut mit einer „gewichtigen Position in Mittel- und Osteuropa“.

Wegen einer ähnlich skeptischen Einschätzung großer internationaler Investitionsgeschäfte verließ Rupf 1994 die Frankfurter BHF-Bank, die er als persönlich haftender Gesellschafter geleitet hatte. Mit Rupf ist einer an die Spree gekommen, der vor Überheblichkeit warnt.

Nach seinem Rückzug aus der BHF-Bank leitete er zwei Jahre die Hornbach-Baumärkte. Neben dem Karrieresprung an die Spitze eines der großen bundesdeutschen Geldkonzerne dürfte Neugier ein wesentlicher Auslöser für den Wechsel gewesen sein. „Neugier und Erinnerung“ – diese Fähigkeiten will Rupf auch seinen vier Kindern mitgeben. Die Töchter sind jetzt 14, 18 und 21 Jahre alt, der Sohn 24. Soweit möglich, unternimmt er mit ihnen und seiner zehn Jahre jüngeren Frau jährlich eine Städte- und eine Fernreise. Leitfrage dabei ist: „Was ist woanders anders und warum?“

Wer aber in Schußfahrt zu Tal stürzt, kann trotz genauer Beobachtung nie sicher sein, daß hinter der nächsten Bodenwelle nicht doch ein gefährliches Hindernis auftaucht. Erfolg und Mißerfolg der Bank spiegeln die wirtschaftlichen Verhältnisse. Und die sind in Ostdeutschland, wo die Bankgesellschaft ihren Heimatmarkt hat, noch immer schlecht.

„Nicht zufriedenstellend“ beurteilt Rupf das Ergebnis der Bank im ersten Halbjahr 1998. Noch ist er gelassen und schöpft aus dem Fundus seiner Erfahrungen: „Sie werden immer an irgendeiner Ecke überrascht, so was kann passieren.“ Wie lange die lockere Haltung hält, muß man sehen. „Von Herausforderungen umzingelt“, überschrieb eine Zeitung ihren Artikel über Wolfgang Rupf.

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