: Freiheit auf Bewährung
Oberlandesgericht Frankfurt verurteilt Monika Haas wegen Beihilfe zur „Landshut“-Entführung. Die Richter demontierten die Kronzeugin Souhaila Andrawes ■ Aus Frankfurt Heide Platen
Fünf Jahre Haft – Monika Haas hörte das Urteil gestern vormittag, als hätte sie keinen Freispruch erwartet. Sie habe sich, entschied der 5. Große Strafsenat des Frankfurter Oberlandesgerichts, der Beihilfe zur Geiselnahme, zum erpresserischen Menschenraub und des versuchten Mordes in zwei Fällen schuldig gemacht. Das Urteil wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Die Richter sahen es als erwiesen an, daß Haas am 7. Oktober 1977 von Algier nach Mallorca geflogen sei und dort Sprengstoff, Zünder, Handgranaten sowie Pistolen an ein palästinensisches Kommando übergeben habe. Am 13. Oktober war die Lufthansa- Maschine „Landshut“ entführt worden und nach einem Irrflug in Nairobi gelandet. Die Entführer forderten damals unter anderem die Freilassung von elf Gefangenen der Roten Armee Fraktion (RAF). Ein deutsches Sonderkommando der GSG 9 stürmte das Flugzeug und befreite die Geiseln. Drei der vier EntführerInnen wurden dabei erschossen, zwei Grenzschutzbeamte verletzt.
Haas hatte immer wieder ihre Unschuld beteuert und bis zum Ende des über zweieinhalbjährigen Verfahrens gegen eine Verurteilung gekämpft. Vorsitzender Richter Erich Schieferstein demontierte während der Urteilsbegründung vor allem die Hauptbelastungszeugin der Anklage, die überlebende Flugzeugentführerin Souhaila Andrawes. Sie war aus Norwegen in die Bundesrepublik ausgeliefert und in Hamburg als Kronzeugin gegen Haas zu nur zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Ihren Aussagen, so das Gericht, habe es nicht geglaubt. Sie seien „ganz im Gegenteil“ offensichtlich „falsch“. Weder sei Andrawes bei der Übergabe der Waffen durch Haas dabeigewesen, noch stimme ihre Geschichte vom Transport in Bonbondosen in einem Kinderwagen. Andrawes selbst hatte ihre Aussage nach ihrer Verurteilung widerrufen.
Die Richter stützten sich statt dessen auf einen von der Bundesanwaltschaft während des Verfahrens präsentierten neuen Zeugen. Ali Said Slim sitzt als israelischer Geheimdienstagent in Beirut im Gefängnis und hatte dort ausgesagt, er sei zusammen mit Haas auf die Insel geflogen. Bei der Waffenübergabe sei er aber nicht dabeigewesen. Daß Slim damals mit Andrawes verheiratet gewesen sei, spreche für den Wahrheitsgehalt seiner Aussage.
Akten des Staatssicherheitsministeriums der DDR, in denen der Vorwurf gegen Haas Ende der 70er Jahre aufgetaucht war, wertete das Gericht als „nicht entscheidend“. Zuverlässiger seien zwei Quellen der bundesdeutschen Behörden, die allerdings nicht offengelegt werden könnten. Motive der Angeklagten seien die Sympathie für die RAF, ihre Ehe mit einem Palästinenserführer und die Tatsache, daß sie bei der palästinensischen Befreiungsbewegung als Verräterin gegolten habe. Durch die Tat habe sie „einen Beweis ihrer Zuverlässigkeit“ erbringen wollen. Sie sei damals zur Tarnung mit ihrer drei Monate alten Tochter gereist.
Strafmildernd wertete die Kammer, daß seit der „Landshut“-Entführung 21 Jahre vergangen seien und daß die Ermittlungsbehörden nicht schon 1980 Anklage gegen Haas erhoben hätten. Der Verfassungsschutz hatte damals statt dessen vergeblich versucht, Monika Haas zur Mitarbeit zu nötigen.
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