: Bäderbetriebe gehen vor Gericht kläglich baden
■ Prinzenbad-Kassierer klagte erfolgreich gegen fristlose Kündigung wegen Betrugsverdachts
Es hatte äußerst spektakulär begonnen: Am 14. Juli dieses Jahres machten Polizisten eine Razzia im Prinzenbad und durchsuchten die Wohnungen von 12 der 22 Bediensteten. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft: skrupelloses Wirtschaften in die eigene Tasche. Die Mitarbeiter des zu den Berliner Bäder- Betrieben (BBB) gehörenden Prinzenbades sollen seit Sommer 1997 Eintrittskarten mehrfach verkauft und gefälschte Halbjahres- und Jahreskarten verkauft haben. Angenommene Schadenssumme: mehrere 100.000 Mark. Sechs Tage nach der Razzia wurde zehn Mitarbeitern fristlos gekündigt. Zwei waren geständig.
Gestern nun siegte einer der Verdächtigten, der 49jährige Kassierer Herbert S., vor dem Arbeitsgericht. Er hatte gegen seine fristlose Kündigung geklagt. Weil er vor seinem Rausschmiß nicht zu den Vorwürfen gehört worden sei, sei die Kündigung wirkungslos. BBB-Personalleiter Wolfgang Salomon begründete die fehlende Anhörung mit den Ermittlungen der Polizei, die bereits im Sommer 1997 begonnen hatten, mit der Razzia im Bad, der Durchsuchung der Wohnung des Kassierers und der Überprüfung von dessen Vermögensverhältnissen. Außerdem sei man davon ausgegangen, daß „eine Anhörung keine Aufklärung gebracht hätte“. Weiter wies Salomon auf den Druck der Bevölkerung und Medien hin. „Für eine Weiterbeschäftigung hätte kein Bürger Verständnis gehabt.“
Arbeitsrichterin Ursula Hantl- Unthan zeigte zwar Verständis für „das Dilemma“ der Bäderbetriebe und erklärte, daß „Straftaten gegen den Arbeitgeber so ziemlich die schlimmste Verfehlung im Arbeitsverhältnis“ seien und in Einzelfällen auch ein Verdacht für eine fristlose Kündigung reiche. Doch dafür brauche es „Tatsachen auf den dringenden Tatverdacht“. Diese konnten die Bäderbetriebe, die die Polizeiakten erst vor wenigen Wochen erhielten, jedoch nicht liefern. So mußte sich der BBB-Personalleiter darüber belehren lassen, daß bei Verdachtskündigungen wie im vorliegenden Fall der Arbeitnehmer angehört werden müsse, „um entlastende Umstände vortragen zu können“.
Schließlich einigten sich beide Parteien auf einen Vergleich. Danach endet das Arbeitsverhältnis des Kassierers im gegenseitigen Einverständnis zum 31. Juli, dem letzten Tag seines Saisonvertrages. Der Kassierer bekommt die sechs Wochen Gehalt nachgezahlt, und weil er nach der Kündigung kein Kranken- und Arbeitslosengeld bekam, zahlen ihm die Bäderbetriebe zudem 3.500 Mark „soziale Überbrückungshilfe“. In den nächsten Wochen werden weitere gekündigte Mitarbeiter gegen ihre fristlose Kündigung klagen. Nach Angaben der Justizpressestelle sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Vor zwei Wochen wurden die Akten der Polizei übergeben. Erfahrungsgemäß dauere die dortige Bearbeitung mindestens sechs Wochen. Barbara Bollwahn de Paez Casanova
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