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Jungbrunnen in der Dose

Gingko-, Ginseng-, Knoblauchkapseln gegen die Malaisen des Älterwerdens? Fachleute empfehlen ausgewogene Ernährung  ■ Von Jakob Michelsen

Wer möchte nicht älter werden ohne die unvermeidlichen Begleiterscheinungen – als da sind schnelleres Ermüden, Fältchen, Rheuma und Herzbeschwerden? Da der Anteil der SeniorInnen in der Bevölkerung zunimmt, auch der Anteil derer mit Geld, sind ältere Menschen eine immer interessantere Zielgruppe für WerbestrategInnen geworden.

In der Tat: Nicht nur der muntere Greis Ilja Rogoff empfiehlt unermüdlich seine Knoblauchpillen. Apotheken und Reformhäuser oder auch Anzeigen in Illustrierten à la Das goldene Blatt werben massiv um die Kaufkraft am oberen Ende der Alterspyramide. Zwischen Antifältchencremes und Herz-Kreislauf-Dragees werden zahlreiche Produkte angepriesen, deren Wirksamkeit schwammig-allgemein umschrieben wird: Knoblauch-Kapseln („geruchlos“), Ginseng-Extrakte („besonders hochwertige sechsjährige Wurzeln“) und Gelée Royale (Futtersaft der Bienenköniginnen) sollen „Ermüdungserscheinungen und nachlassender Vitalität“ entgegenwirken, der „Verhütung vorzeitiger Altersbeschwerden“ dienen oder einfach der „Besserung des Befindens“.

Neben dem altbekannten Lebertran fürs Immunsystem ist Exotisches beliebt: der chinesische Gingkobaum oder die „Urkraft der Natur“ aus der Taigawurzel Eleutherococcus. Und weil sich vieles in einer Grauzone zwischen Medikament, Nahrungsmittel und Kosmetik bewegt, werden zum Beispiel Mate-Kautabletten auf der Packung als „Nahrungsergänzungsmittel“ ausgewiesen.

VerbraucherschützerInnen und ErnährungswissenschaftlerInnen melden hier Kritik an. Ralf Alsfeld von der Ernährungsberatung der Hamburger Verbraucher-Zentrale geißelt besonders hochgespannte Werbesprüche wie „Neuer Schwung für graue Zellen“ oder „Lebe jung und unverkalkt“, durch die unrealistische Erwartungen geweckt würden: „Denkvitamine“ und Lecithin als Jungbrunnen. „Obwohl die meisten SeniorInnen wissen, daß Werbung nicht unbedingt die Wahrheit sagt, kaufen sie die Produkte“, berichtet Alsfeld. „Der Markt an Stärkungs- und Nahrungsergänzungsmitteln boomt.“ Die Verbraucherzentrale sei bereits mehrfach erfolgreich juristisch gegen unlautere Werbung mit falschen Heilungsversprechen vorgegangen.

Zu bekämpfen sei auch Angstwerbung, die suggeriert, ohne Gelée-Royale-Kapseln sei man den bedrohlichen „Lebensumständen unserer zivilisierten Welt“ schutzlos ausgeliefert oder Lachsölkonzentrat sei für die Gesundheitsvorsorge unverzichtbar. Die Bestimmungen des Wettbewerbs- und Lebensmittelrechts müßten konsequenter durchgesetzt werden, fordert Alsfeld. Er empfiehlt statt der angeblichen Jungmacher eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit ganz „normalen“ Lebensmitteln.

Denn von den individuellen Zipperlein einmal abgesehen, sei bei älteren Menschen nur auf eine höhere Nährstoffdichte zu achten. Wer sich weniger bewege, verbrauche weniger Energie und müsse weniger essen, dabei jedoch auf die nötige Menge an Vitaminen und Mineralstoffen achten. Ralf Alsfelds Fazit: Wer vernünftig ißt, kann auf zusätzliche Stärkungs- und Nahrungsergänzungsmittel getrost verzichten.

Die Verbraucher-Zentrale Hamburg und der Verein I.K.A.R.U.S. (Informations- und Kontaktstelle Aktiver Ruhe-Stand) laden am Mittwoch, 25. November, von 15 bis 17 Uhr zu einer Informationsveranstaltung: „Seniorenernährung 2000 – schmackhafte Lebensmittel statt Spezialkost mit Pillen!“ Ort: Verbraucher-Zentrale, Kirchenallee 22; Teilnahmebeitrag fünf Mark, um Anmeldung (9 bis 13 Uhr) wird gebeten unter Tel. 33 54 08.

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