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„Neidisch erreichst gar nichts“

Vermissen sie Katja? Wie die deutschen Skirennläuferinnen Hilde Gerg und Martina Ertl sich ihr Weltcup-Leben ohne die Branchenführerin Seizinger einrichten  ■ Aus Park City Thomas Hahn

Die deutschen Skifahrerinnen Martina Ertl und Hilde Gerg standen nebeneinander aufgestellt zum Interview nach dem Weltcup-Riesenslalom in Park City/US-Bundesstaat Utah, blickten freundlich, antworteten geduldig und fanden nur wenig auszusetzen. Gerg beklagte ein bißchen ihren 15. Platz, erklärte aber: „Im Steilen war es nicht so schlecht.“ Und Ertl war sowieso zufrieden, weil sie Rang zwei erreicht hatte; wenn auch mit 2,16 Sekunden Rückstand auf Österreichs Alexandra Meißnitzer. Es war schön anzuschauen, so wohlgelaunt, wie die beiden dastanden.

Und trotzdem fehlte etwas. Katja Seizinger (26) fehlt, die erfolgreichste deutsche Skifahrerin aller Zeiten. Den Gesamt-Weltcup nebst Olympia-Abfahrt und -Kombination hat sie im vergangenen Winter gewonnen, mit Slalom- Olympiasiegerin Hilde Gerg und Martina Ertl ein Trio gebildet, das die Weltelite beherrschte, und sich danach beim Sommertraining im Schnalstal böse verletzt.

Kreuzbänder, Seitenbänder, Meniskus, Tibia-Köpfchen, alles ist kaputt oder beschädigt. Vor Weihnachten steht sie nicht auf Skiern, und ob sie im Februar bei der WM in Vail/Colorado starten kann, ist auch fraglich. Das schmerzt. Vor allem Funktionäre, Trainer und Skisportfans, was natürlich ist, weil eine Seizinger in Normalform oft gewinnt. Aber auch ihre prominenten Trainingspartnerinnen Ertl und Gerg. „Die Katja“, sagt Martina Ertl, „geht uns schon ein bisserl ab.“

Und das ist weniger natürlich. Denn eigentlich dürfte es den ehrgeizigen Lenggrieserinnen Gerg (23) und Ertl (25) doch ganz recht sein, daß die Konkurrentin im Kampf um Ruhm und Preisgeld am Stock geht. Es ist ja ein beliebtes Spiel geworden, die drei Deutschen dabei zu beobachten, wie sie sich gegenseitig beobachten, und dann jede falsche Geste als Zwist zu werten.

Das Nachrichtenmagazin Spiegel hat das in der vergangenen Saison einmal ganz intensiv gemacht und danach das Nebeneinander der drei Skistars als Tratsch-und- Neid-Gesellschaft analysiert. Das war einfach, weil im Individualsport Skifahren bei jeder vernünftigen Athletin die Enttäuschung über eine eigene schlechte Leistung größer ist als die Freude über den Erfolg einer anderen. Auch in Park City hätte man Gerg nachsagen können, sie mißgönne Ertl Rang zwei, weil sie nach deren rasanter Fahrt nicht in Freudentränen ausbrach, sondern eher nachdenklich wirkte. Das wäre zwar Unsinn gewesen, weil sie nach fehlerhaften Durchgängen durchaus Grund zur Nachdenklichkeit hatte. Aber es wäre möglich gewesen.

Analysieren darf jeder letztlich, wie er will. Die Fahrerinnen wissen das und lesen Spekulationen über das Betriebsklima im Team deshalb mit professioneller Gleichgültigkeit. Den Spiegel-Artikel haben sie mit müdem Lächeln zur Seite gelegt. „Darüber reg' ich mich nicht auf“, sagt Gerg, „ich weiß, wie's bei uns zugeht.“ Und Ertl erzählt: „Wir haben damals gesagt: Bei uns läuft's so gut, da kann jeder schreiben, was er will.“ Deshalb ist es ihr wohl auch egal, ob ihr jemand die Sehnsucht nach der lädierten Seizinger abnimmt. Sinn macht es immerhin, daß Ertl und Gerg sich die starke Begleiterin zurück ins Team wünschen. Denn das Leben ohne Katja ist für Hilde und Martina ein schwereres.

Als das Trio 1998 von Erfolg zu Erfolg brauste, schrieben das viele dem hohen Niveau zu, auf dem sich die Frauen im Training maßen; ohne Seizinger ist das Niveau gesunken. „In Abfahrt und Super-G ist Katja das Nonplusultra“, sagt Ertl, „da weißt du im Training schon, wo du stehst.“ Und auch Gerg fand die Einheiten ohne Seizinger „am Anfang ungewohnt“.

Außerdem haben sich die drei Könnerinnen 1998 bei Rennen immer wieder an der Spitze abgewechselt und damit erfolgreich von kurzen Schwächephasen der anderen abgelenkt. Beim Saisonstart vor drei Wochen in Sölden blieben Ertl und Gerg auf den Plätzen 10 und 18 liegen, worauf Chefcoach Wolfgang Maier schimpfte: „Das war's einfach nicht.“ Mit Seizinger, glaubt Ertl, ist das Risiko für solche Wutausbrüche geringer: „Wenn die Katja Erste wird und ich Zehnte, sagt keiner was.“

Wahrscheinlich verhält es sich so bei den deutschen Skisportlerinnen: Das Wohl der anderen ist recht, solange es der eigenen Leistung dienlich ist, und ansonsten egal. Martina Ertl lehrt jedenfalls: „Wennst' neidisch bist, erreichst gar nichts.“ Und dann ist da noch die theoretische Möglichkeit, daß die drei wirklich Freundinnen sind.

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