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„Unappetitliche Logik, falscher Ansatz“

Kritik am Antrag der Bürgerschaft zur Bekämpfung des Frauenhandels  ■ Von Elke Spanner

Mit einer resoluten Handbewegung wischt Ulrike Wiemker die Bekundungen von GAL, SPD und CDU vom Tisch, den „Frauenhandel“ in Hamburg bekämpfen zu wollen. „Deren Ansatz ist falsch“, resümiert die Mitarbeiterin der Organisation „amnesty for women“. Denn der Politik gehe es weniger um den Schutz der Frauen, als darum, der Täter habhaft zu werden, die die AusländerInnen illegal nach Hamburg gebracht haben.

Außerdem werde „Frauenhandel“, wie auch im gemeinsamen Antrag der drei Bürgerschaftsfraktionen (taz berichtete), stets in einem Atemzug mit „Zwangsprostitution“ genannt – und darüber hinweggesehen, daß viele Frauen aus dem Ausland in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse oder die Ehe mit einem deutschen Mann „gehandelt“ werden. Von der öffentlichen Anhörung zum Thema „Menschenhandel und Zwangsprostitution“ am kommenden Mittwoch verspricht sich Wiemker deshalb „nicht viel“.

In den europäischen Nichtregierungsorganisationen ist es längst gesicherte Erkenntnis, daß es zu kurz greift, mit „Menschenhandel“ stets „Zwangsprostitution“ zu assoziieren. Nivedita Prasad von der Berliner Organisation „Ban Yink“ klärte im Mai bei einer Anhörung die Abgeordneten des Bundestages darüber auf, daß auch Frauen, die in eine Ehe oder ein ausbeuterisches Arbeitsverhältnis vermittelt werden, „genauso wie Zwangsprostituierte gewerbsmäßig rekrutiert werden“. Auch sie müssen „horrende Vermittlungsgebühren zahlen und werden häufig genug über das Ausmaß der Ausbeutung getäuscht “.

Selbst das Bundeskriminalamt (BKA) erweiterte die Definition. Gegenüber dem Bundestag erinnerte es schriftlich daran, daß auch bereits in ihrem Heimatland in der Prostitution tätig gewesene Frauen Opfer von Menschenhandel werden können. Viele hätten zwar ursprünglich eingewilligt, mußten aber in Deutschland erkennen, daß sie unter „sklavenähnlichen Bedingungen gehalten werden“.

Doch dergleichen „Gewalt gegen Frauen und Mädchen in sozialen Sphären wie Familie und Ehe und halblegalen Sphären wie der Prostitution“, so Bärbel Butterweck vom Prager Projekt „La Strada Ceska Republika“, erfreue sich einer „hohen sozialen Toleranz“.

Wann diese Toleranzgrenze überschritten wird, entscheiden nicht die Frauen selbst, sondern deutsche Behörden. Beispiel: Der Handel in eine Ehe. Durch § 19 des Ausländergesetzes werden die Frauen gezwungen, auch in einer Ehe auszuharren, die sie nicht länger führen wollen. Erst nach vier Jahren Zweisamkeit bekommen sie ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Zwar hat Hamburg vor rund einem Jahr eine Weisung erlassen, nach der Frauen „im Härtefall“ auch früher aus einer Ehe aussteigen können. Doch was die Frauen noch aushalten müssen und was ihnen nicht mehr zumutbar ist, entscheidet die Ausländerbehörde. „Eine unappetitliche Logik“, so Wiemker: „Je mehr eine Frau gequält wurde, um so größer ist ihre Chance, bleiben zu dürfen.“ Erst ein Fall sei bisher bekannt geworden, in dem eine Migrantin als Härtefall anerkannt wurde. Sie war von ihrem Ehemann fast totgeschlagen worden.

Sämtliche Formen des Handels mit ausländischen Frauen haben eine Gemeinsamkeit: Die Migrantinnen hoffen auf eine bessere Zukunft in Deutschland, und die ist legal nicht zu haben. Deren Wunsch zu migrieren, ermöglicht Männern, sich an der Not dieser Frauen zu bereichern. „Eine Arbeitsmöglichkeit in Westeuropa zu finden, ist nach wie vor ein großer Traum vieler junger Menschen in der Tschechischen Republik“, sagte die Pragerin Butterweck vor dem Bundestag. Die „politische Gangart“, das Problem des Frauenhandels mit Hilfe restriktiver Migrationspolitik zu lösen, stehe dem Schutz der Opfer des Frauenhandels entgegen. Denn in der Illegalität befindliche Frauen „sind leichter ausbeutbar und können effektiver von kriminellen Banden unter Druck gesetzt werden“.

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