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Rätselraten um Fabelpreis am Bahnhof

■ Nach dem teuren Verkauf des Grundstücks Bahnhofsplatz an Stuttgarter Immobiliengruppe fragt man sich in Bremen, wie sich ein Neubau rechnen soll / Bibliothek kein Thema mehr

Eitel Freude herrscht bei Bremens Finanzpolitikern: Nach jahrelangem Pokern ist es gelungen, das prominenteste Neubau-Grundstück der Stadt zu einem sehr guten Preis zu verkaufen. In der Bremer Immobilienbranche wird indessen nicht ausgeschlossen, daß der auf den ersten Blick so vorteilhafte Deal dafür sorgen wird, daß lange nichts auf dem Grundstück geschieht.

Schuld an diesen Befürchtungen ist der Preis: 25,5 Millionen Mark will die Stuttgarter Unternehmensgruppe Widerker für 5.600 Quadratmeter Bahnhofsplatz bezahlen, das sind 3,5 Millionen mehr, als die 22 Millionen, die das Katasteramt als Wert ermittelt hatte. „Das ist ein Knaller“, sagt ein Insider.

Die Firma des Kaufmanns Martin Widerker will hier ein siebenstöckiges „Dienstleistungszentrum Bremen“ bauen, mit Einzelhandel, Praxen, Büros und Wohnungen sowie 980 Parkplätzen in drei Untergeschossen. Jetzt rätselt Bremens Immobilienwelt, wie sich das Projekt bei diesen hohen Grundstückskosten und der geforderten attraktiven Architektur rechnen soll. Zumal zu den Vorgaben der Politik gehört, einen breiten Durchgang als Passage durch den Baukörper zwischen der neuen Straßenbahn-Haltestellenanlage und dem Breitenweg freizulassen.

Makler, die sich seit Jahren mit dem Objekt beschäftigen, haben bisher bei Baukosten von bis zu 90 Millionen Mark einen Grundstückspreis von höchstens 15 Millionen für realisierbar gehalten. Denn als Miete dürfte gerade für die Obergeschosse nicht mehr als 20 Mark zu erzielen sein. Falls Widerker nicht in zwei Jahren baut, hat die Stadt eine Rückkaufoption.

Die bisherigen Aspiranten auf das Grundstück, die Baukonzerne Bilfinger & Berger sowie die Augsburger Walter Bau, wollten darum die geplante neue Zentralbibliothek als Mieter gewinnen. So würden viele Menschen ins Haus gezogen und außerdem wäre ein großer Teil der Obergeschosse langfristig vermietet. Die Zentralbibliothek wäre zwar kein Muß für ihr fertiges Konzept, signalisierte Walter Bau den Bremern, ohne diesen Mieter konnte oder wollte Walter aber beim Grundstückspreis nicht mit den Süddeutschen mithalten. Und jetzt fragen sich viele, wie Widerker die Obergeschosse füllen will.

Aber der Publikumsmagnet Bibliothek ist informell längst versprochen, und die Realisierung der Zentrale damit auf unbestimmte Zeit vertagt. Einflußreiche Kreise aus dem Finanzressort und der neuen Wirtschaftsfördergesellschaft BIG haben sich auf das Polizeihaus am Wall festgelegt, das die Bremer Firma Zech-Bau in ein Shopping-Center umbauen will. Den Walter-Bau-Vertretern wurde unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß die Beschlüsse gefällt seien – obwohl das in der zuständigen Bildungs- und Kulturbehörde bestritten wird. Eher aussichtslos dürfte daher auch jenes Konzept sein, mit dem die Weser-Wohnbau kürzlich auf der Bildfläche erschien: Im ungenutzten Postamt 5 am Hauptbahnhof könnten neben Läden die Bibliothek, die Zentrale der Volkshochschule und der Konzertsaal Musicon untergebracht werden.

In der Bildungsbehörde geht die Tendenz ebenso wie im Finanzressort hin zum Polizeihaus. Das brächte einen Zeitgewinn für den klammen Haushalt: Denn sowohl eine neue Bücherei als auch eine neue VHS erforderten Investitionen, die das Ressort von Bringfriede Kahrs (SPD) zur Zeit kaum aufbringen könnte.

Joachim Fahrun

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