piwik no script img

Opposition und/oder Tolerierung

Noch ist die Hauptstadt nicht reif für eine Regierungsbeteiligung der PDS. Beim Parteitag am Wochenende muß die Partei sich jedoch fürs Wahljahr plazieren  ■ Aus Berlin Barbara Junge

Nur eine der Berliner Parteien hält noch fest an der regierenden Großen Koalition in der Hauptstadt: die CDU. Koalitionspartner SPD hat sich längst verabschiedet, Bündnisgrüne wie PDS würden sie lieber gestern als heute ablösen. Doch wenn im kommenden Jahr das Abgeordnetenhaus neu gewählt wird, könnte es knapp werden für Rot-Grün. Am Wochenende versucht jetzt die Berliner PDS auf einem Landesparteitag, ihre Rolle in dieser komplizierten Konstellation zu definieren.

In einer Auswertung der Bundestagswahl, die dem Parteitag vorgelegt wird, proben fünf AutorInnen den Balanceakt: Nach dem „historischen“ Wahlergebnis sei die PDS in der einmaligen Rolle, eine Bundesregierung von links zu bedrängen. Die PDS stehe „in der veränderten Situation vor grundsätzlichen Entscheidungen“. Man müsse den Spagat zwischen Ost- und Westinteressen „vergleichsweise schnell verkleinern“. Außerdem wolle man sich weiter als „gesellschaftliche Opposition“ definieren und dennoch zwischen Grundpositionen und Alltagsarbeit, zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalrolle unterscheiden – und darüber hinaus als eine Gesamtpartei erkennbar bleiben.

Was in dem Papier nur verschwommen zum Ausdruck kommt, läßt sich viel deutlicher mit der Position erklären, die im PDS- Landesvorstand vertreten wird: Man will Opposition bleiben, Rot- Grün eine Tolerierung anbieten, aber keine Verträge schließen, weil das einer heimlichen Koalition zu ähnlich wäre. „Eine Tolerierung mit Vertrag ist keine“, sagt Landesvorsitzende Petra Pau dazu mit einem Seitenhieb auf die drängende Bundespartei, „so eine Idee kann nur Hirnen entspringen, die von der politischen Praxis in den Ländern keine Ahnung haben.“

Doch auch für diese Tolerierung ist Berlin nicht reif. Die CDU, das haben führende Christdemokraten klar gemacht, setzt auf die altbewährte Verteuflung der „roten Socken“. Nur mit Hilfe der PDS kann die CDU eine rot-grüne Mehrheit verhindern, auf die FDP kann sie in der Hauptstadt nicht rechnen. Und die SPD-Größen überbieten sich in strikten Abgrenzungserklärungen zur PDS. Mehr als ein Probelauf wird das PDS-Tolerierungsangebot nicht werden können, so sehen es schließlich auch die Bündnisgrünen. Verhältnisse wie in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt wird es in Berlin, davon ist auszugehen, vor dem Jahr 2004 erst recht nicht geben.

Und das weiß auch die PDS. So heißt es in ihrer Auswertung auch rückblickend: „Die Anti-Linksfront-Kampagne der CDU/CSU spielte in der Endphase des Wahlkampfs faktisch keine Rolle mehr, SPD und Grüne jedoch forcierten ihre Angriffe auf die PDS.“ In dieser Konstellation, so analysiert das Autorenteam, wird sich die Partei im kommenden Jahr auch in Berlin bewegen. Deshalb projektieren sie für die nähere Zukunft die inhaltliche Profilierung als „gesamtstädtische Partei“, eine Akzeptanz in den Westberliner Stadtteilen und eine Normalisierung des Verhältnisses mit den anderen Parteien. Ausgehend vom September- Wahlergebnis rechnet die PDS mit Akzeptanz vor allem in Bezirken, „die zum einen problembeladen sind und in denen es zum anderen kleinräumiges ,linkes‘ politisch- kulturelles Klima gibt“: also die klassischen Hochburgen der Bündnisgrünen, Kreuzberg und Schöneberg. Und besonders bei Frauen sehen sich die GenossInnen im Aufwind.

Die Vorbereitung eines Wahlprogramms und die organisatorische Vorbereitung des Wahlkampfs sind Gegenstand der Parteitagsdebatten am Samstag. Besonders strittig ist dabei ein Antrag der Landesvorsitzenden und vier weiterer GenossInnen, die Berliner PDS möge mit einer offenen Landesliste zur Abgeordnetenhauswahl antreten. Darin steckt Zündstoff: Denn eine offene Liste würde eine Politisierung und Professionalisierung der doch recht provinziellen Strukturen voraussetzen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen