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Rechtlicher Glaube an das Gute im Menschen

■ Trotz Empörung einiger Medien ist das Verfahren gegen 16jährige nicht öffentlich

Strenggenommen hätte die Öffentlichkeit gar nicht erfahren dürfen, daß am Montag der Prozeß gegen die beiden 16jährigen beginnt, die im Juni in Tonndorf den Lebensmittelhändler Willy Dabelstein ermordet haben.

Denn mehr als bei Erwachsenen hofft das Strafrecht bei Jugendlichen noch auf das Gute im Menschen. Da der beste Opferschutz die Resozialisierung der Täter ist, steht bei der Bestrafung von 14- bis 18jährigen weniger die Abschreckung anderer Jugendlicher im Vordergrund als der Wunsch, erzieherisch auf den Täter einzuwirken. Das setzt voraus, daß der Angeklagte freimütig und offen über sein Leben berichten kann. Und damit er das möglichst unbefangen tut, ist in Jugendstrafverfahren die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

„Sind die Angeklagten durch die Zuschauer eingeschüchtert, werden sie nichts Persönliches preisgeben“, erklärt Gerichtssprecherin Sabine Westphalen. „Andere könnten sich zum Prahlen hinreißen lassen.“ Auch das Urteil wird hinter verschlossenen Türen verkündet. Denn die Strafe, so Westphalen, habe für Jugendliche eine stigmatisierende Wirkung, die ihnen nicht ihr Leben lang anhaften dürfe.

Dennoch berät das Gericht, ob es im Tonndorfer Fall eine kleine Ausnahme von den strengen Regeln machen soll. Unter Umständen wird das Urteil bekanntgeben. Denn der Mord hatte im Sommer eine höchst emotionale Debatte über den Umgang mit Jugendkriminalität ausgelöst.

Christian L. und Patrick E. droht eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren. Zur Mittagszeit waren sie am 29. Juni in den Tante-Emma-Laden von Dabelstein gekommen. Vor der Polizei gestanden sie später, verabredet zu haben, Geld zu klauen und den Kaufmann, sollte er sich wehren, „abzustechen“. Während der eine die 220 Mark aus der Kasse nahm, stach der andere mit dem Messer zu.

Die beiden Jugendlichen wohnten nur wenige Straßenzüge von Dabelsteins Haus entfernt – in einer Einrichtung für Jugendliche, die straffällig wurden und ein letztes Mal von der Untersuchungshaft verschont bleiben sollten. Der Fall erregte die Gemüter in der Hansestadt, weil die beiden in Freiheit waren, obgleich sie in ihrem 16jährigen Leben bereits einiges auf dem Kerbholz hatten.

Dem Ruf nach geschlossenen Heimen folgte der rot-grüne Senat zwar nicht. Das Konzept zur Betreuung straffälliger Jugendlicher wurde jedoch verschärft, die Jugendvilla am Tonndorfer Pulverhofsweg geschlossen. Anfang November eröffnete der „Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung“ eine Einrichtung in Bergedorf, in der haftverschonte Jugendliche rund um die Uhr intensiv betreut werden. Eine zweite soll im Bezirk Nord eingerichtet werden.

Es steht zu erwarten, daß im Verlauf des Prozesses doch einige Informationen über das Verfahren an die Öffentlichkeit durchsickern werden. Etliche FernsehjournalistInnen haben bereits angekündigt, auf den Gerichtsfluren auszuharren und darauf zu spekulieren, daß ZeugInnen nach Verlassen des Gerichtssaales vor der Kamera verraten, was sich hinter der verschlossenen Tür tut. Daß er nicht dabei sein darf, empörte einen Journalisten gar so sehr, daß er anregte, den Jugendschutz seinem Interesse an Berichterstattung nachzuordnen und die Gesetze entsprechend zu ändern: „Das Stigma der brutalen Mörder haben die beiden doch ohnehin schon“.

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