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Fitneß für die Denker

■ Mit Qualifizierungsprogrammen wollen viele Universitäten Geisteswissenschaftler für den freien Arbeitsmarkt flottmachen

Seit sich herumgesprochen hat, daß Geisteswissenschaftler zwar nicht zwangsläufig arbeitslos, aber in vielen Fällen weder reich noch fest angestellt werden, haben deutsche Universitäten Initiativen gestartet, ihre Denker auch für die Wirtschaft fit zu machen.

Die wohl bekannteste Arbeitsmarktinitiative für Geisteswissenschaftler nennt sich „Mit Kant und Kafka in die Wirtschaft“ und kann nach über zehnjähriger Arbeit in München auf stolze Zahlen verweisen: 27 Prozent der Absolventen sind heute in den Branchen Industrie, Handel, Banken und Versicherungen beschäftigt. 31 Prozent kamen im Dienstleistungsbereich unter. Fast Dreiviertel konnten die Praktikumserfahrungen für ihren Berufseinstieg nutzen; knapp 60 Prozent stiegen in qualifizierte – wenn auch fachfremde – Tätigkeiten ein. Der Anteil der unbefristeten Verträge sowie die Gehälter sind höher als bei durchschnittlichen Geisteswissenschaftlern.

Seit dem Sommersemester gibt es auch an der Freien Universität Berlin die erste Arbeitsmarktinitiative für Geisteswissenschaftler: „Arm, aber glücklich“ seien die meisten, faßt Jutta Gier das Dilemma zusammen, dem das Projekt BeO (Berufsorientierung) begegnen will. In einem zweisemestrigen Kurs sollen FU-Studenten bei BeO all das lernen, was ihnen in ihrem Studienfach vorenthalten bleibt – von Betriebswirtschaft bis Rhetorik. Am Ende gibt es eine Teilnahmebescheinigung.

Jahrelange Erfahrung, vor allem der Zentraleinrichtung für Studienberatung und Psychologische Beratung, zeige, so Gier, wie schlecht Studenten meist auf den freien Markt vorbereitet seien: „Fast immer werden Zusatzqualifikationen verlangt, die die meisten nicht haben.“ Die häufigsten Defizite betreffen EDV-Kenntnisse, die über die Beherrschung von Textverarbeitung hinausgehen, Training in Teamarbeit, Präsentationskenntnisse und praktische Erfahrung.

All diese Mankos will BeO in zwei Semestern à 16 Wochenstunden beheben. Die 30 Studenten zahlen 250 Mark pro Semester und bekommen dafür ein umfangreiches Angebot. Nach einem viertägigen Grundkurs in Betriebswirtschaftslehre und einem Training zur Berufswegplanung gibt es bis zu den Semesterferien einen festen Stundenplan sowie diverse Blockseminare. Das Angebot reicht dabei von Marketing bis zu Kommunikationstechniken.

Außerdem können die Studenten aus verschiedenen Wahlfächern auswählen – von Arbeitspsychologie bis zum Unternehmensplanspiel. Letzteres soll Studenten nahebringen, sich in die Rolle eines Managers zu versetzen, Unternehmensziele zu formulieren und Lösungen für Interessen- und Zielkonflikte zu suchen. Und es soll nicht alles graue Theorie bleiben: In den Semesterferien ist ein zweimonatiges Betriebspraktikum in einem möglichst wirtschaftsnahen Bereich Pflicht.

Eigentlich dürfte es so etwas wie BeO gar nicht geben, findet Gier: „Was wir vermitteln, gehört ins Studium. Aber gerade bei den Geisteswissenschaftlern sickert die Erkenntnis, daß die Universität mehr vermitteln muß als Fachwissen, nur langsam durch.“ Immer wieder meldeten sich Professoren zu Wort, die der Ansicht seien, die Uni solle nicht ausbilden, sondern bilden.

Die Studenten sehen das offensichtlich anders: Die BeO-Mitarbeiter konnten sich schon im ersten Semester von achtzig Bewerbern dreißig aussuchen, obwohl kaum Werbung für das Projekt gemacht wurde. Ähnliche Erfahrungen haben bereits Universitäten in anderen Städten gesammelt, die praxisorientierte Kurse anbieten.

Auch wenn die fortlaufende Finanzierung von BeO, das zur Zeit unter anderem durch ABM-Stellen gesichert wird, noch in den Sternen steht, hat man hier schon große Pläne: Idealerweise soll an der Freien Universität in absehbarer Zeit ein „Career Center“ entstehen, das alle praxisnahen Trainings und Kurse, Datenbanken sowie die Studienberatung unter einem Dach vereint. So, hofft man, werden auch aus Geisteswissenschaftlern einmal erfolgreiche Jungunternehmer. Jeannette Goddar

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