: Gysi fordert die Offensive ein
■ PDS debattiert über Optionen im Wahljahr: Opposition, Tolerierung oder Koalition, Frontmann Gysi meint das eine, Landeschefin Petra Pau hält dagegen Von Barbara Junge
Von Barbara Junge
„Mein Ruf ist: Wir müssen offensiv sein“ – die GenossInnen hörten seinen Ruf und klatschten begeistert Beifall. Mit seiner Rede auf dem Landesparteitag der PDS hat Gregor Gysi, der Fraktionsvorsitzende der PDS im Bundestag, die Berliner Demokratischen SozialistInnen mal wieder eingetütet. Dabei steht sein Ruf im Gegensatz zu der Linie der Berliner PDS- Mehrheit, insbesondere im Gegensatz zur Landesführung.
Opponieren, Tolerieren oder Koalieren. Welche Rolle die PDS im kommenden Abgeordnetenhauswahlkampf und erst recht in der Zeit danach, neben einer möglichen rot-grünen Landesregierung, spielen will und kann, stand im Mittelpunkt des Parteitages am Samstag. Die PDS-Landesvorsitzende Petra Pau mahnte bei aller Euphorie über das Bundestagswahlergebnis, trotz Hoffnungsschimmer für die PDS aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg- Vorpommern, vor verfrühten Koalitionsgelüsten. „Die Mauer stand in Berlin, nicht in Schwerin oder in Magdeburg“, schrieb sie ihren GenossInnen ins Stammbuch. Deshalb sei es an der PDS, in der Stadt, in der die Mauer die deutlichsten Spuren hinterlassen habe, an einer neuen Akzeptanz zu arbeiten. Noch seien die Spuren im Bewußtsein gerade der WestberlinerInnen nur allzu sichtbar. Vor Koalitionsangeboten oder auch nur heimlichen Hoffnungen stünde der Berliner PDS die Aufgabe bevor, endlich auch in Westberlin nicht mehr als Schreckgespenst wahrgenommen zu werden.
„Aber man kann den Satz auch anders betonen“, schränkte Pau ihre Vorsicht anschließend ein, „die Mauer stand in Berlin.“ Neun Jahre nach dem Fall der Mauer forderte sie die anderen Parteien auf, Berlin nicht mehr nur aus der Vergangenheit zu definieren.
Gregor Gysi indes war dies immer noch nicht genug. „Wir wollen mehr Stimmen, wir wollen mehr Einfluß“, rief der Frontmann seinen Berliner GenossInnen zu. „Was wir dafür unbedingt brauchen, ist ein offensiver Wahlkampf.“ Zwar sei es richtig, daß die Empfindlichkeiten in Berlin noch besonders ausgeprägt sind, „aber wir sind nicht in der Politik, um uns von Empfindlichkeiten leiten zu lassen“, so Gysi. Die BerlinerInnen sollten, so vermittelte er seiner Basis, das Büßerhemd ablegen. Denn wer in Berlin die PDS weiterhin ausgrenze, richte den Blick nur auf die Vergangenheit und „der errichtet objektiv die Mauer jeden Tag neu“.
Die Debatte ist mit dem Meinungsaustausch auf dem Parteitag nicht beendet. Die Partei beschloß die Vorbereitungen eines Wahlprogramms und einer Wahlkampfstrategie. In diesem Rahmen wird sich der Streit fortsetzen können. Ein ganz anderer Streit indes wurde ausgeräumt. Die PDS beschloß mehrheitlich, für die Abgeordnetenhauswahl wieder mit einer Landesliste anzutreten und hat damit die bezirklichen Gelüste nach stärkerer Vertretung abgewiesen.
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