Isse gut gege nervöse... Von Joachim Frisch

Drogenhölle Hamburger Sternschanzenpark. Frauen und Kinder würden am hellichten Tag von rauschgiftsüchtigen afrikanischen Dealern belästigt, heißt es, die Spielplätze seien übersät von blutverschmierten Spritzen, die Händler des Todes schreckten auch vor Erpressung und Terror nicht zurück. Mich packen das kalte Grausen und die journalistische Neugier, ich packe meinen Mut und fahre mit der S-Bahn zur Hölle.

Der zahnlose Zeitungsverkäufer am S-Bahnhof flößt allenfalls Furcht vor den Auswirkungen der Gesundheitsreform ein. Kaum hundert Meter weiter aber sind schon die schwarzen Gestalten zu sehen, vor denen uns unsere Medien immer gewarnt haben. Daneben stehen zwei grüne Gestalten mit blassen Gesichtern und Schirmmützen herum, den Blick stur auf die herumlungernden Schwarzen gerichtet, als befänden jene sich auf der Kinoleinwand. Genau so sehen die Schwarzen aus, elegant, designergeschürzt, und so parlieren und gestikulieren sie. Ab und zu schlendern zwei von ihnen davon und tauchen bald wieder auf. Die Szene strahlt etwas Sonniges und Friedliches aus.

Vielleicht erschließt sich das Unheimliche ja erst im direkten Kontakt; grübele ich und gehe vorsichtig auf die Herumstehenden zu. Erst jetzt sehe ich, daß ein vermeintlicher Polizist eine Polizistin ist. Obwohl ich sie bewundere, ignoriert sie mich, wie auch die Schwarzen mich ignorieren. Nun wage ich es, mich aus dem Schutz der Polizisten wegzubewegen, und endlich beachten mich die schwarzen Männer, zunächst skeptisch, außer Sichtweite der Polizisten interessiert. Ein brenzliger Geruch steigt mir in die Nase. Ein junger schwarzer Mann reicht mir lächelnd eine glimmende Zigarette. „Isse gute Stoff“, sagt er mit freundlicher, warmer Stimme, „entspanne gege nervöse.“ Ich nehme dankend an und einen leichten Zug. Der Rauch ist milde und angenehm. Als ich die Zigarette zurückgeben will, fordert er mich höflich auf, einen weiteren Zug zu nehmen. Ich inhaliere kräftiger. Die Substanz erhellt das Gemüt, ohne die Sinne zu trüben. Leicht beschwingt danke ich und gebe die Zigarette zurück.

Natürlich möchte der Herr mir etwas von der Substanz verkaufen, die er mir zur Probe gereicht hat, vermutlich Marihuana. Auf meine Frage, ob das denn erlaubt sei, reagiert er mit fröhlichem lautem Lachen. Ich kaufe nichts, obwohl mir der Preis für die angenehme Wirkung seiner Ware nicht unangemessen erscheint. Als ich auch sein weißes Pulver, das er als Koks ausgibt und das ungleich teurer ist, verschmähe, verabschiedet er sich höflich. Ich merke, daß die Begegnung mit ihm mir viel von meinem Unbehagen genommen hat, jetzt fühle ich mich nicht mehr wie ein ungebetener Eindringling, sondern wie ein Gast wohlerzogener Menschen, die das tun, was die Welt im Zeitalter der „Globalisierung“ (Ulrich Beck, Stoiber und alle anderen) zusammenhält: sie verkaufen Dinge an Leute, die diese Dinge haben möchten. Und sie werben für diese Dinge weit weniger aufdringlich, als dies Bier-, Auto- und Zigarettenfabrikanten tun. Warum also das ganze Gezeter um den Drogenhandel? frage ich mich und kaufe beim zahnlosen Zeitungsverkäufer den kicker, ein wenig betrübt darüber, daß der Kurzurlaub im Sternschanzenpark schon wieder vorbei ist.