Keine Daten über prügelnden Polizisten

■ Generalstaatsanwalt soll geänderte Eintragungen zugunsten eines Beamten prüfen

Stimmen die Vorwürfe des Rechtsanwalts Ferdinand von Schirach, droht der Polizei und Justiz der Hauptstadt ein neuer Skandal. Beide Institutionen stehen nach Ansicht von Schirach im Verdacht, ihre Datensysteme zugunsten eines Polizisten, der von Kollegen der Körperverletzung im Amt beschuldigt wurde, manipuliert zu haben. Der Anwalt hat den Berliner Generalstaatsanwalt Hansgeorg Karge schriftlich um Aufklärung der Vorwürfe ersucht.

Ausgangspunkt der Geschichte ist eine Auseinandersetzung rivalisierender Jugendbanden am Abend des 29. März vergangenen Jahres vor einem Jugendheim am Vorarlberger Damm in Schöneberg. Nach einer Ermittlungsakte, die von Schirach „durch Zufall“ in die Hände fiel, kamen Polizisten des Abschnitts 42 herbei und beruhigten die Lage. Dann sei unaufgefordert ein Wagen der 23. Einsatzhundertschaft (EHu), einer Art Sondereinsatztruppe der Polizei, hinzugekommen. Diese Beamten hätten dann eingegriffen: Einer von ihnen habe einen am Boden liegenden Jugendlichen mit einem langen Schlagstock ins Gesicht geschlagen. Ein Polizist des Abschnitts 42 habe ihn daran hindern wollen, worauf der 23er Polizist den 42er angeblafft habe: „Du flache Sau, geh erst mal zurück in die Lehrabteilung, dann lernst du, wie man richtig arbeitet! Du wirst noch von mir hören!“

Dreizehn Polizisten des Abschnitts 42 bestätigten in einer „dienstlichen Erklärung“ den Knüppeleinsatz des Beamten der Sondereinsatztruppe und daß ihr Kollege den Jugendlichen vor den Schlägen schützen wollte. Der schlagende Beamte erhielt eine Anzeige wegen „Körperverletzung im Amt durch Schlagstockeinsatz – lang“.

Doch weder im Polizeicomputer noch bei der Staatsanwaltschaft liegt irgend etwas gegen den rabiaten Polizisten vor: Nach Auskunft von Rechtsanwalt von Schirach wurde keiner der Beamten der 23. Einsatzhundertschaft in dem Informationssystem der Staatsanwaltschaft geführt, obwohl deren Namen und Dienstgrade längst feststanden. Im Datenerfassungssystem der Polizei gebe es statt einer Eintragung zu dem prügelnden Polizisten den Vermerk „keine Straftat“. Auch der zuständige Staatsanwalt habe den verdächtigen Polizisten nicht als Beschuldigten in die Akten eingetragen.

Durch diese „Manipulationen“, so der Anwalt, sei nirgendwo ersichtlich, daß jemals gegenüber dem Beamten der Vorwurf bestand, eine Körperverletzung im Amt begangen zu haben. Für den Anwalt drängt sich der Verdacht auf, „daß die oben geschilderte Praxis nicht nur eine Ausnahme, sondern die Regel ist“. Sollte dies zutreffen, „so wäre dies mit eine Erklärung dafür, daß so wenige Verfahren, die gegen Polizeibeamte geführt werden, mit einer Anklage und einer Verurteilung enden“. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit die Vorwürfe. Das Polizeipräsidium wollte zu der Angelegenheit bis zum Ende der Prüfung nichts sagen. Philipp Gessler