: Asyl-Knast im Norden
Schleswig-Holsteins rot-grüne Regierung will Abschiebekandidaten in ein zentrales Gefängnis sperren ■ Aus Kiel Heike Haarhoff
Richtige Freunde hat Ekkehard Wienholtz nicht mehr. „Wir brauchen Ausländer“, hatte der Innenminister von Schleswig-Holstein kürzlich noch gefordert. Weil Deutschland „de facto ein Einwanderungsland“ sei, warb Wienholtz trotzig für Multikulti. Doch mit der Courage ist nun vorbei und auch mit den Freunden: Flüchtlingshilfsorganisationen sind entsetzt über den Vorstoß Wienholtz', landesweit das erste Abschiebegefängnis für abgelehnte Asylbewerber und sonstige „Illegale, die sich der Ausreise verweigern“ einzurichten. Nach Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Hessen plant damit auch Schleswig-Holstein einen zentralen Knast – für Flüchtlinge aus Afrika, Asien, Osteuropa und Lateinamerika.
In der Kleinstadt Rendsburg westlich der Landeshauptstadt Kiel soll bis Ende nächsten Jahres die „Abschiebungshaft zentralisiert werden“. 5,4 Millionen Mark will die Landesregierung dafür locker machen, die Rendsburger Jugendarrestanstalt in einen Neubau in Boostedt im Kreis Segeberg zu verlegen. Die im Behördendeutsch „Schüblinge“ genannten abgelehnten Asylbewerber sollen dann in Rendsburg einsitzen. Wie ernst es Wienholtz mit seinem Sinneswandel in der Asylpolitik ist, machte er gestern klar: Er ließ 15 Togolesen abschieben.
Bislang waren Abschiebehäftlinge in Schleswig-Holstein über sämtliche Justizvollzugsanstalten verteilt. Oft sind sie mit „ganz normalen Strafgefangenen“ zusammengepfercht, beklagt Günter Kahl vom Kieler Justizministerium. Kahl hält das für untragbar, weil „diese Menschen keine Verbrechen begangen haben“.
Da gibt Reinhard Pohl dem Justizbeamten Kahl recht. Aber der Mitarbeiter des Flüchtlingsrats Pohl findet ein Gefängnis trotzdem nicht sinnvoll: „Die Abschiebehaft gehört ganz aus dem Gesetz gestrichen.“ Auch Karl Kopp von Pro Asyl in Frankfurt findet, „daß Knäste unnötig wären“, wenn es einfach schneller ginge mit den Abschiebungen. Weshalb, so Kopp, „müssen denn Leute, die nichts verbrochen haben, 18 Monate im Gefängnis sitzen?“
Aber die Kieler Landesregierung will eine separate Haftanstalt. Nach dem Ausländergesetz sei sicherzustellen, daß ausreiseunwillige Häftlinge bis zu ihrer Abschiebung nicht fliehen. Der neue Abschiebeknast müsse daher nicht unbedingt „den ganz strengen Gefängnischarakter“ haben. Wichtig seien ausreichend Raum, großzügige Besuchsregelungen und psycho-soziale Betreuung, fordert der Leiter des Landesausländeramts, Friedrich Kortüm. Aus panischer Verzweiflung über die drohende Abschiebung haben sich nach Recherchen von Pro Asyl allein zwischen Oktober 1993 und Dezember 1996 in bundesdeutschen Gefängnissen mindestens 37 Frauen und Männer erhängt, verbrannt, in den Tod gestürzt.
Doch es sind nicht nur humanitäre Überlegungen, die die Kieler Regierung trotz ihres maroden Finanzhaushalts zu der Fünf-Millionen-Investition veranlaßt haben. Tatsächlich konnten wegen katastrophaler Überbelegung der Gefängnisse im Bundesland zwischen Nord- und Ostsee seit Anfang Juni keine Abschiebehäftlinge mehr eingeknastet werden. Daher war Schleswig-Holstein zuletzt auf „Nachbarschaftshilfe“ von Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern angewiesen.
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