■ Querspalte: Denkpause für Augstein
Die „Sportifizierung der Gesellschaft“, wie der Soziologe Dieter Bott es nennt, hat sich zwangsläufig auch in der Sprache niedergeschlagen. Die ranzige Vokabel „Fairneß“ zum Beispiel hat sich auch längst im Politikerjargon etabliert.
Mittlerweile allseits beliebt zu sein scheint auch die dem Fußballermilieu entsprungene „Denkpause“. „Krassimir Balakow bekam von Trainer Winfried Schäfer eine Denkpause verordnet“, war zum Beispiel gestern so oder so ähnlich in Vorberichten auf das Pokalspiel des VfB Stuttgart in München zu hören und zu lesen. Die Denkpause wird „verordnet“, es handelt sich also um eine Sanktion: Wenn ein Kicker mehrmals schlecht gespielt, in den Medien den Trainer angegriffen oder, wie der Freistoßgott Balakow, eine Mannschaftssitzung zu früh verlassen hat, muß er zur Strafe denken. Das heißt, Fußballer denken nicht, während sie spielen oder Interviews geben, sie denken nur in „Denkpausen“.
Auch Rudolf Augstein ist vertraut mit Fußballsprech, wie sein Kommentar zur Mahnmaldiskussion im aktuellen Spiegel erahnen läßt: „Wie man die deutschen Parteien kennt, wird das sogenannte Mahnmal vom Bundestag... beschlossen werden, obwohl es genügend Alternativen dazu gäbe... Eine Denkpause, wie man sie sich bei den damals heftig diskutierten Ladenschlußzeiten gegönnt hat, wird sich der Bundestag in diesem weltweit kommentierten Fall aber nicht erlauben.“
Was will uns der Illustriertenherausgeber damit sagen: Unseren Volksvertretern würde eine Denkpause mal ganz gut tun, aber der Rest der Welt ist schuld daran, daß sie sich das nicht leisten können und das Denken deshalb den wahren Geistesgrößen, also Rudolf Augstein, Martin Walser und Winfried Schäfer, überlassen müssen? Bemerkenswert ist allemal, daß Augstein es geschafft hat, „das sogenannte Mahnmal“ und den Ladenschluß gedankenähnlich zu verschwurbeln. Vielleicht sollte er sich gelegentlich eine Denkpause „gönnen“. René Martens
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