■ Kolumne: God is a DJ
Traumberuf DJ? Wenn man davon absieht, daß der normale Plattendreher, der keine fancy Remixe an die Industrie verkauft, normalerweise der schlechtbezahlteste Arbeitnehmer in einer Kneipe ist, gibt es für DJs natürlich kaum etwas Schickeres, als ein ganzes Haus nach der Pfeife des eigenen Musikgeschmacks tanzen zu lassen – ein Höhepunkt im Leben eines jeden Sendungs-bewußten. Allerdings braucht man ein dickes Fell. Denn egal was man für Musik spielt, egal wie gerade die Stimmung ist – Es kann jederzeit passieren, daß ein trauriger Mensch ans Plattenpult tritt und sagt: „Kannst du nicht mal was zum Tanzen auflegen?“ Oder es kommt die weniger selbstbewußte, aber noch unangenehmere Ausgabe desselben Typen, die ihrem Privatstandpunkt zusätzliches Gewicht zu geben trachtet, indem sie die Formulierung benutzt: „Dahinten sind ganz viele Leute, die würden jetzt gerne was zum Tanzen hören!“
Interessiert tausche ich mich immer wieder mit einem befreundeten weiblichen DJ über Freud und Leid des Plattendrehens aus. Und muß feststellen, daß es in diesem Sektor eine besonders subtile Form der Frauenverachtung gibt. Das fängt schon bei dem Begriff „DJane“ an. Genau wie das Wort Disc-Jockey ist dessen Abkürzung DJ geschlechtslos. Dennoch scheint es der allgemeine Sprachgebrauch für nötig zu halten, das Geschlecht des DJs kenntlich zu machen, so sie erstaunlicherweise weiblich ist.
Daß sich zu wenig Menschen die Losung „Practice what you preach“ zu eigen machen, fand ich schon als Teenager unendlich traurig. Wenn mir etwa irgendwelche coolen Typen, die Eigentum per se ablehnten und die Toilettentüren in ihrer WG aushängten, keine Platten leihen wollten. Heutzutage ist es zum Beispiel in Hamburg bekannt, daß gerade die, die ihr Maul in Sachen PC, Feminismus usw. am weitesten aufreißen diejenigen sind, denen zunehmend frauenfeindliche oder rassistische Formulierungen in den Sprachfluß schlüpfen, sind sie erst mal angesäuselt genug.
Aber Plattenauflegen ist natürlich trotzdem eine feine Sache. Jedenfalls, wenn die Barbesitzer und –geschäftsführer ihren DJ in Ruhe lassen, und nicht bei jedem Gast, der zahlt und geht gleich aufgeregt fuchtelnd zum Plattenpult gerannt kommen und meinen, hätte man ihre Lieblingsplatte aufgelegt, würde niemand mehr gehen. Aber wenn die Chefs, die Frauenfeinde und die Tanzwütigen endlich ihren Rausch ausschlafen, beginnt des DJs liebste Stunde. Ganz allein mit dem Tresenpersonal und den letzten zwei schon eingeschlafenen Trinkern an der Bar kann man endlich die Platten auflegen, die man schon die ganze Zeit hören wollte. Detlef Diederichsen
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