piwik no script img

Vier Mark pro Liter Benzin

■ Bremer Studie: Autofahren ist teurer als die Bahn, weil die Allgemeinheit mitzahlt / Doch die Betriebskosten bei der BSAG liegen deutlich über denen für PKW

Spannende Fragen: Wie teuer ist der Autoverkehr, was kostet im Vergleich dazu der öffentliche Personennahverkehr? Wieviel kostet Bremens Verkehr insgesamt? Bezahlt der Autofahrer tatsächlich nur durchschnittlich 1,50 Mark pro Liter Benzin?

Professor Dr. Arno Gahrmann von der Hochschule Bremen (Bremen University of Applied Sciences) hat im Rahmen einer Studie des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie eine „ökologisch-ökonomische Gesamtrechnung für den motorisierten Personen-Nahverkehr in Bremen“ aufgemacht und sie gestern der staunenden Öffentlichkeit vorgestellt.

Ein Liter Benzin kostet in Wirklichkeit vier Mark, sagt der Professor. Mit jedem Kilometer verliert das Auto an Wert, verschleißt die Reifen, kostet Steuern und Versicherung, verpestet die Umwelt. Trotzdem liegen die Betriebskosten der Bremer Straßenbahn AG mit 63 Pfenning pro Kilometer deutlich über denen eines PKW. Gahrmann empfielt der Bahn deshalb eine bessere Auslastung.

Zwei Milliarden Mark jährlich veranschlagt der Professor an volkswirtschaftlichen Kosten für den gesamten Verkehr in Bremen (auf der Schiene und hinterm Steuer). Das sind 80 Pfenning pro Person und Kilometer für die Fahrt mit dem Auto und 70 Pfenning pro Person und Kilometer für die Fahrt mit der Straßenbahn. Auf den ersten Blick kein großer Unterschied. Dafür sei die Unfallgefahr und die Umweltbelastung durch den Autoverkehr drei Mal höher als bei Bussen und Bahnen. Die Kosten für Unfall- und Umweltschäden machen laut Gahrmann ein Viertel, also 500 Millionen Mark, der volkswirtschaftlichen Kosten aus. Der größte Teil, rund 1.2 Milliarden Mark, sind reine Betriebskosten. 150 Millionen fallen für Straßenbau- und Instandhaltung an. 180 Millionen Mark berechnet der Professor für die Umwege, die Radfahrer und Fußgänger wegen des Autoverkehrs machen müssen. Wie die Summe zustande kommt? Zehn Mark pro Stunde legt Gahrmann für die „Beeinträchtigungen von Fußgängern und Radfahrern durch den motorisierten Personenverkehr“ zugrunde. Ob er auch die Wartezeit auf die Straßenbahn oder die vor roten Ampeln in Mark und Pfennig umgewandelt habe, will ein Journalist wissen. Der Professor verneint und schiebt noch eine Zahl hinterher. Eine autofreie Stadt sei den Bremern 100 Millionen Mark wert, sagt er. Zwei Mark pro Stunde würden die Bremer bezahlen, wenn die Stadt autofrei wäre. Warum gerade zwei Mark? „Das habe ich so zugrunde gelegt“, antwortet der Professor. In Berlin hätten Passanten bei einer Umfrage angegeben, sie würden für einen Waldspaziergang fünf Mark pro Stunde ausgeben. Um auszurechnenen, wieviel den Bremern eine autofreie Stadt wert sei, habe er halt zwei Mark veranschlagt.

Ungläubiges Kopfschütteln. Der Kollege vom Fernsehen erinnert an die autofreie Siedlung im Hollerland, die gescheitert ist, weil die Interessenten nach und nach abgesprungen sind. „Das war ja nur autofreies Wohnen“, gibt der Professor zurück.

Das Ergebnis der Gahrmannschen „ökologischen und ökonomischen Gesamtrechnungen“ in Kurzform: Autofahren ist teurer, weil die Allgemeinheit (Umwelt- und Unfallschäden) mitzahlt. Es gebe aber nicht nur „die bösen Autofahrer“ und die guten Fahrgäste des öffentlichen Nahverkehrs, betont der Professor. „Mischformen“ seien am klügsten. Also: Man nehme die Bahn und steige aufs Auto um, wenn es nicht mehr weitergeht. So wie der Professor, der auf dem Land lebt, mit der Bahn fährt und für die „Querverbindungen“ in seinen elf Jahre alten Espace (Renault) mit KAT steigt. kes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen