: „Die SPD kann sich den Neubau vorstellen“
■ Franziska Eichstädt-Bohlig, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, würde lieber Altbauten fördern. Als Gegenstück zur Ökosteuer fordert sie ein Programm zur CO2-Minderung im Hausbau
taz: Die rot-grüne Bundesregierung gibt nach vier Wochen nicht unbedingt ein Bild der Geschlossenheit ab. Von Konflikten in der Wohnungspolitik war bislang allerdings nichts zu hören. Stimmt die bündnisgrüne Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig mit dem sozialdemokratischen Bauminister Franz Müntefering in allen Punkten überein?
Eichstädt-Bohlig: Es gibt im Baubereich eine Reihe von Punkten, wo Konsens besteht. Da haben wir auch einiges in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt.
Welche sind das?
Die Förderung der Bestandserneuerung wird gegenüber dem Neubau gestärkt, zum Beispiel im Rahmen der Städtebauförderung und des Konzepts „Soziale Stadt“. Auch die Energiesparverordnung soll schnell kommen. Probleme sehe ich dagegen bei der Finanzierung der Wohngeldreform.
Franz Müntefering hat erst vor einigen Tagen erklärt, daß es die Wohngeldreform noch im nächsten Jahr geben wird.
Ja, das wollen beide Fraktionen. Aber unser Ziel war es immer, zusätzliche Haushaltsbelastungen in Bund und Ländern zu vermeiden und die Wohngeldreform durch Kürzungen bei der Eingenheimzulage zu finanzieren. Jetzt fließt ein Teil dieser Mittel in die allgemeine Steuerreform. Müntefering muß das Geld jetzt im allgemeinen Haushalt suchen. Ich hoffe, daß ihm das gelingt. Gesichert ist das aber noch nicht, vor allem nicht die Größenordnung.
Wo sehen Sie Streitpunkte?
Während in der Wohnungsbauförderung die Bestandserneuerung gestärkt wird, wird durch die Steuerreformbeschlüsse nach dem bisherigen Stand die Altbausanierung schlechter gestellt als der Wohnungsneubau. Das ist aber kein Dissens zwischen roten und grünen Baupolitikern, sondern eher ein Zielkonflikt zwischen Steuerpolitik und Baupolitik. Ich bin nicht prinzipiell gegen eine Kürzung der Subventionen für die Immobilienwirtschaft. Was ich aber problematisch finde, ist, nur bei der Altbausanierung zu kürzen und nicht beim Neubau. Deswegen plädiere ich dafür, die Vergünstigungen für Sanierung und Denkmalschutz jetzt nicht zu kürzen, dafür aber im kommenden Jahr ein Umbaukonzept zu machen, das die Steuervorteile für Alt- und Neubau durch Investitionszulagen ersetzt.
Welche Folgen befürchten Sie, wenn in der Steuerpolitik weiterhin die Neubautätigkeit bevorteilt wird?
Schon jetzt gibt es, nicht nur in Ostdeutschland, das Problem, daß Investoren und auch Eigennutzer aus den Städten in die Neubausiedlungen auf die grüne Wiese sozusagen auswandern. Wenn die Förderung von Investitionen in historischen Altstädten ganz wegfällt, wandern selbst Investoren, die bislang noch in Altbauerneuerung investieren wollen, in den Neubau ab. Dies führt zu weiterer Zersiedelung und zu hohen Infrastrukturkosten für die Kommunen.
Es wird ja immer – ob von der CDU oder der SPD – von einem entspannten Wohnungsmarkt gesprochen. Wenn es stimmt, daß wir einen ausreichenden Neubaubestand haben, warum wird dann zumindest in der Steuerpolitik weiterhin schwerpunktmäßig der Neubau gefördert?
Ich denke, die SPD ist von ihrer Grundhaltung nach wie vor stark wachstumsorientiert und kann sich die Stabilisierung der Bauwirtschaft zunächst vor allem über den Neubau vorstellen. Wir halten dies für falsch. Zur Arbeitsplatzsicherung trägt Bestandserneuerung sehr viel mehr bei. Denn damit können kleine und mittlere Baubetriebe und die regionale Wirtschaft gestärkt werden. Hinzu kommt, daß die Stadterneuerung sehr viel arbeitsintensiver ist als Neubau. Davon müssen wir die SPD Schritt für Schritt überzeugen.
Warum haben Sie solche Forderungen nicht bereits während der Koalitionsverhandlungen gestellt?
Im Koalitionsvertrag steht das als Zielsetzung schon drin. Aber man sieht jetzt an der Steuerpolitik, daß dies nicht ausreicht. Wenn es um die konkreten Förderinstrumente geht, müssen wir in den nächsten Jahren noch drum ringen, dieses Ziel auch durchzusetzen.
Im Zusammenhang wird nur von der Besteuerung der Energie gesprochen. Was ist aber mit den Anreizen, Energie zu sparen?
Was uns als Pendant zur Ökosteuer fehlt, ist ein intensives und umfassendes CO2-Minderungsprogramm. Darum haben wir während der Koalitionsverhandlungen sehr gerungen. Unsere Vorstellung war, das durch den Abbau der besonderen Subventionen für Dieselkraftstoff zu erreichen. Dem hat sich die SPD aber entschieden verwehrt. Ich bin aber nach wie vor der Meinung, daß das nach wie vor als Ergänzung zur Ökosteuer im Gebäudebereich dringend erforderlich ist. Auch als arbeitsmarktpolitisches Instrument, schließlich kann man an keiner Stelle so viel Arbeitsplätze mobilisieren, wie wenn man mit der Wärmedämmung die Gebäudesanierung vorantreibt. Interview: Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen