piwik no script img

Sex, Tränen und Beleidigungen

Seit Monaten wird in Frankreich im Parlament über ein Gesetz zur Homo-Ehe gestritten. Zwar wurde der Entwurf erheblich ausgehöhlt. Jetzt stehen die Chancen gut, in der kommenden Woche endlich abzustimmen  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Tränen, Unflätigkeiten, stundenlange Reden über den richtigen Sex und jede Menge andere Gefühlsausbrüche begleiten den Weg des „Pacs“ durch das französische Parlament. 55 Stunden nach dem Beginn der Debatte steht der im Volksmund „Schwulenehe“ genannte „zivile Solidaritätspakt“ jetzt kurz vor seiner Realisierung. Wenn sich die linken ParlamentarierInnen dieses Mal eine gewisse Parteidisziplin auferlegen, könnte das Gesetz in der kommenden Woche abgestimmt werden.

Bereits seit Anfang dieses Jahrzehnts verlangten französische Schwulengruppen ein Gesetz, das ihre Zweierbeziehungen mit der Ehe gleichstellt. Anfangs hieß das Projekt CUC, dann PIC, die rot- rosa-grüne Regierung taufte es schließlich Pacs. Mit jedem neuen Namen wurde der Inhalt des Pacs reduziert. Von der beabsichtigten „Schwulenehe“ ist heute ein gesetzlicher Rahmen für jede Art von nichtehelicher Zweierbeziehung übriggeblieben.

Homosexuelle, heterosxuelle Paare, aber auch zusammenlebende Geschwisterpaare jeder beliebigen geschlechtlichen Kombination können einen Pacs schließen. Sie erwerben damit Anspruch auf eine gemeinsame Steuererklärung, das Recht, dem oder der PartnerIn den Mietvertrag sowie 300.000 Francs zu vererben, und treten wie Eheleute auch in die Schuldzahlungsverpflichtungen des anderen ein. Für ausländische PartnerInnen verbessert ein Pacs zudem die Aussicht auf ein Visum.

Doch die Verwässerung des Pacs hat nicht seine VerteidigerInnen aus der Schwulenbewegung auf den Plan gerufen, sondern alle antihomosexuellen Gruppen, die Frankeich zu bieten hat. Ihr Spektrum reicht von den Satelliten des Vatikan über die zivilisierte Rechte bis zu der Sekte „Zukunft der Kultur“, zu militanten AbtreibungsgegnerInnen und zu bekennenden Rechtsextremen. Gemeinsam traten sie an, die „abendländische Zivilisation“, die Familie und den Fortbestand der Spezies Mensch zu verteidigen.

Zuerst bekam die Regierung Post von 12.000 BürgermeisterInnen, die es ablehnten, die Zeremonie für das Bündnis organisieren zu müssen. Später überhäuften Zigtausende Franzosen den Premierminister mit Postkarten. Dann brachten konservative Abgeordnete Hunderte Änderungsvorschläge ein, um die Debatte zu boykottieren. Schließlich riefen sie mit katholischen IntegristInnen zu Protesten auf.

Aber nicht nur die heilige katholische Allianz behinderte den Pacs. Auch die regierenden rot-rosa-grünen Parteien fühlten sich mit ihrem vollmundig versprochenen Projekt nicht mehr wohl, als die Basis immer lautere Kritik anmeldete. Bei der ersten Abstimmung Anfang Oktober war nur eine Handvoll der linken ParlamentarierInnen anwesend. Obwohl die Sache zu vorgerückter Nachtstunde stattfand, war die Rechte vollständig vertreten und brachte das Projekt zu Fall. Seither ist ein neuer zwölf Artikel langer Entwurf ausgearbeitet worden, der die ParlamentarierInnen bereits mehrere Nächte beschäftigt hat. Zuletzt gingen sie am Donnerstag früh um 6.30 Uhr nach gegenseitiger Beschimpfung auseinander. Vier Artikel sowie die zahlreichen Änderungsvorschläge stehen ab Dienstag wieder zur Debatte.

Entscheidende Probleme des Pacs werden erst in Zukunft auftauchen. Besonders die Frage, ob verpacste Personen Kinder adoptieren dürfen. Aber auch Trennungen und die Situation verpacster Personen im Ausland.

Die lautstarkste Verteidigungsrede für den Pacs, dessen sich seine linken AutorInnen schämen, hielt eine Konservative. Roselyne Bachelot (RPR) outete sich als einzige Rechte, die für den Pacs stimmen will. Am Ende ihrer mutigen Rede ging sie schluchzend an ihren Platz zurück. Auch die Heldin der GegnerInnen kommt aus diesem Lager. UDF-Mitglied und Lebensschützerin Christine Boutin schaffte es, fünf Stunden zu reden, um den Pacs zu Fall zu bringen. In der Nacht zu vergangenem Donnerstag brach auch sie im Parlament in Tränen aus. Der sozialistische Premierminister Lionel Jospin hatte sie als „beleidigend“ kritisiert, und ihre ParteifreundInnen blieben sitzen. Offensichtlich hat sich auch bei den Rechten herumgesprochen, daß nicht alle Homosexuellen Linke sind. Die FreundInnen des Pacs dürfen sich auf ein Weihnachtsgeschenk einrichten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen