■ Ein unheimliches Phänomen in der Kurpfalz legt einen schrecklichen Verdacht nahe
: Hauskatzenschwund

Angst geht um in Deutschland. Wenn es Nacht wird und die Dämmerung die Sicht trübt, sind Ganoven unterwegs und haben es auf unsere Liebsten abgesehen: 6,1 Millionen Hauskatzen leben in der Gefahr, zum Beispiel als wärmende Wintermütze zu enden.

In großen Lettern schreckte unlängst Bild seine Leser auf: „Achtung! Tierfänger in der Kurpfalz“ lautete der rot unterlegte Ausruf, dem die grausige Erklärung folgte: „Sie machen aus Katzen Rheumadecken.“ Das Blatt zitierte den Vorsitzenden des Landestierschutzverbandes Baden-Württemberg, Gerhard Käfer, der auf Nachfrage die ganze Dimension des Schreckens darlegte. Danach seien vor allem in Nordbaden und Nordwürttemberg in jüngster Zeit viele Katzen gestohlen worden.

Käfer mutmaßte, dahinter steckten organisierte Banden, die mit ihren Kastenwagen unterwegs sind und die samtigen Vierbeiner einsammeln. In übereinandergestapelten Boxen, so der Tierschützer, würden die Katzen dann ins nahe Ausland gefahren und dort von Billiglohnkräften zu Mützen, Schals und Rheumadecken verarbeitet.

Weil das natürlich gegen das Tierschutzgesetz verstößt, würde bereits die Polizei ermitteln, sagte Käfer und verwies auf die Beamten der Karlsruher Dienststelle.

Doch dort weiß man von nichts. „Wir fahnden nicht nach Katzendieben“, erklärt Werner Rastätter, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Karlsruhe, und fügt hinzu: „Es gibt keine Anhäufung dieser Fälle in unserem Zuständigkeitsbereich.“ Dieser umfaßt sowohl die Stadt als auch den Landkreis. Rastätter kann sich auch an keinen Fall erinnern, bei dem organisierten Katzenfängern das Handwerk gelegt wurde.

Solch einen Fall kennt auch Heike Pankatz nicht. Die Tierärztin ist Referentin beim Deutschen Tierschutzbund in Bonn: „Bislang wurde meines Wissens noch niemand verurteilt, der widerrechtlich Katzen gefangen und zu Fellen verarbeitet hat.“

Daß es die Katzenfänger in der Dämmerung womöglich gar nicht gibt, legt eine andere Tatsache nahe: Wer etwa aus einer zehnjährigen schwarzen Katze, einem fünfjährigen weißen Exemplar und einer achtjährige Getigerten wärmende Mützen fertigt, gerät in Absatzschwierigkeiten. Die Felle der zufällig gefangenen Katzen sind viel zu unterschiedlich voneinander. Schließlich müssen Farbe, Länge und Dichte des Fells zueinander passen. Und das ist „technisch nicht machbar, dafür müßte man Millionen Felle haben“, erklärt Susanne Kolb, Geschäftsführerin des Deutschen Pelzinstituts.

Nicht dunkle Typen, sondern schwarze Reifen sind nach ihrer Einschätzung für das vermehrte Verschwinden der Katzen mitverantwortlich: „Auch ich habe bereits mehrere meiner Kater mit dem Schneeschieber von der Straße gekratzt.“ Doch nicht nur das Auto ist ein großer Feind der Mieze. In Jagdgebieten und einer Entfernung von mindestens 200 Metern außerhalb von Wohnsiedlungen werden Katzen ganz legal aufs Korn genommen und abgeschossen: Grünröcke bringen in Deutschland jedes Jahr rund 350.000 Katzen zur Strecke. Eine viel größere Zahl von Katzen landet statt in den ewigen Jagdgründen im Käfig: Rund 100.000 entlaufene oder ausgesetzte Katzen hat der Deutsche Tierschutzbund gezählt, die als Fundtiere in Tierheimen jährlich aufgenommen werden.

Rheumadecken werden übrigens tatsächlich aus Katzenfellen gefertigt – allerdings aus China- Importen, erklärt Susanne Kolb. Und die kommen aus jenen Gebieten, wo die Tiere auf dem Speisezettel der Menschen stehen. Robert Schäfer