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Bündnis für Arbeit „keine Eintagsfliege“

■ Vertreter von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Bundesregierung loben das gute Klima beim ersten Gespräch zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Kanzler Schröder macht aber klar: „Der Prozeß wird sich über lange Zeit hinziehen“

Bonn (taz) – Der Anfang ist gemacht. Gestern abend, nach rund dreistündigen Gesprächen im kleinen Kabinettssaal des Kanzleramtes, trat ein erleichterter Bundeskanzler an die Öffentlichkeit. Das Bündnis für Arbeit sei auf den Weg gebracht, Gerhard Schröder sprach von einem „guten Angang“, der ihn „sehr, sehr optimistisch“ stimme. Der Kanzler betonte besonders den „Prozeßcharakter der Gespräche“ zwischen den Vertretern der Bundesregierung, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften. Das Bündnis, so Schröder, werde „alles andere als eine Eintagsfliege“ sein. Es werde sich über eine lange Zeit hinziehen. Vereinbart wurde nach den Worten des Kanzlers die Einrichtung von acht Arbeitsgruppen, in denen unter anderem die Frage einer flexibleren Alterssicherung, einer Strukturreform der Sozialversicherung und die Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit besprochen werden sollen. Unternehmer und Gewerkschaften hätten zugesagt, so Schröder, das Regierungsprogramm zur Schaffung von 100.000 Lehrstellen zu unterstützen.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt gab sich bei der Pressekonferenz im Anschluß an das Gespräch etwas vorsichtiger. Der Erfolg des Bündnisses sei von den Ergebnissen in den Arbeitsgruppen abhängig. Aus Sicht der Wirtschaft seien die Gespräche durch die Gesetzesvorhaben der Regierung „nicht unerheblich vorbelastet“ worden. Zugleich begrüßte er die Ankündigung des Kanzlers, die Verringerung des Spitzensteuersatzes für Unternehmen eventuell auf das Jahr 2000 vorzuziehen. Hundt forderte eine stärkere Konzentration der Sozialleistungen auf die tatsächlich Bedürftigen. Auf den von Arbeitsminister Riester eingebrachten Vorschlag einer Rente mit 60, die über noch zu schaffende Tariffonds finanziert werden könnte, reagierte Hundt ablehnend. Hier gebe es noch „zahlreiche offene Fragen“. Insgesamt jedoch beurteilte auch Hundt das Treffen als positiv, es habe „beachtliche Ergebnisse gebracht“.

Gute Stimmung auch bei DBG-Chef Dieter Schulte. Er sprach von einer Gesprächsatmosphäre, die „sehr viel Mut zur Hoffnung gibt“. Er betonte die Notwendigkeit einer ökologischen Steuerreform und des Sofortprogramms für arbeitslose Jugendliche. In den Vordergrund stellte er die Schaffung eines „Generationenvertrages“, der ein früheres Ausscheiden aus dem Arbeitsleben ermöglichen soll, „ohne die sozialen Sicherungssysteme zu belasten“.

Kanzler Schröder betonte, Ziel des Bündnisses sei, die anstehenden Fragen zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit „im Konsens zu lösen“. „Was hier in Gang gebracht wurde“, sagte Schröder, „ist so vernünftig, daß wir schon glauben, daß das Schule machen wird, auch über die Legislaturperiode hinaus.“

Zur ersten Verhandlungsrunde unter der Führung des Kanzler waren sechs Regierungsmitglieder, vier Repräsentanten der Arbeitgeberverbände und fünf Gewerkschaftschefs zusammengekommen. Wegen der widrigen Wetterlage – die Flugzeuge hatten Verspätung – starteten die Gespräche am Nachmittag eine Stunde später als geplant. Die Herren von der Arbeitgeberseite und von den Gewerkschaften (einzige Frau war Gesundheitsministerin Andrea Fischer) wurden bei ihrer Einfahrt zum Kanzleramt von Mitgliedern einer Arbeitsloseninitiative empfangen. Sie hatten vor dem Kanzleramt einen meterlangen Teppich aus zusammengestrickten „armen Socken“ ausgebreitet.

Für die Opposition erklärte der CDU- Vorsitzende Wolfgang Schäuble nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei: „Die Ergebnisse des Bündnisses für Arbeit müssen sich vor allem an der zusätzlichen Zahl von Arbeitsplätzen messen lassen.“ Wolfgang Gast Interview und Bericht Seite 2

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