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Die Bundesregierung überdauern

Atomkraftwerke in der Ukraine sollen mit Hilfe Deutschlands und der Osteuropabank fertiggestellt werden. Neuer Umweltminister bisher lediglich „nicht begeistert“  ■ Von Maike Rademaker

Kaum drei Monate im Amt, hat Horst Köhler eine schwierige Dienstreise vor sich. Der Präsident der Osteuropabank fährt am 10. Dezember in die Ukraine, um mit Staatspräsident Leonid Kutschma über Probleme seines Landes zu sprechen – und besonders über Atomkraft. Köhlers Bank soll, so der Antrag der Ukraine, die Fertigstellung von zwei Atomkraftwerksblöcken, Khmelnitsky 2 und Rivne 4 (K2/R4), mit 190 Millionen Dollar mitfinanzieren. Das war bisher auch kein Problem, alle G7-Länder hatten sich 1995 in einem rechtlich nicht verbindlichen Memorandum für die Finanzierung ausgesprochen. Für den Bau der Blöcke würde die Ukraine den Tschernobyl-Reaktor schließen, so der Deal. Seit Deutschland aber eine neue und atomkritische Regierung hat, ist die Einmütigkeit der G7 bedroht. Alte Verpflichtungen stehen nun neuen Tatsachen gegenüber. Wer im eigenen Land gegen Atomkraft ist, der muß sich mindestens dann im Ausland dagegen wenden, wenn eine deutsche Beteiligung besteht – so sehen das die regierungsunabhängigen Organisationen.

„Wir glauben, daß Sie und Ihre Regierung mit dem Ausstieg aus der Atomenergie eine kluge Entscheidung gefällt haben“, schrieb der ukrainische Umweltschützer Yury Urbansky Bundesumweltminister Trittin im November. „Dies berücksichtigend, hoffen und vertrauen wir darauf, daß Sie auch zu einem europaweiten Ausstieg stehen. Und wir hoffen, daß Sie sich bei Ihren G7-Kollegen dafür einsetzen werden, daß K2/R4 nicht unterstützt wird.“ Yury Urbansky leitet in der Ukraine das „Nationale ökologische Zentrum“. Er kritisiert den Ausbau der Reaktoren und bezeichnet sie als „unsicher und unnötig“. Die ukrainische Bevölkerung leide jetzt noch unter den Folgen von Tschernobyl.

Rund die Hälfte ihrer Energie beziehen die 51 Millionen Ukrainer aus Atomkraftwerken – höchste Zeit, findet Yury Urbansky, daß nichtatomare Alternativen geprüft werden. Die Reaktortypen WWER-1.000, zu denen K2/R4 gehören, hätten laut der internationalen Atomorganisation IAEA nicht korrigierbare Sicherheitslücken. Eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie des Darmstädter Ökoinstituts äußert ebenfalls ernste Sicherheitsbedenken.

Auf das Dilemma angesprochen, ist man im Bonner Umweltministerium „nicht begeistert davon, diese AKWs fertigzustellen“. Priorität habe aber nun mal, so ein Sprecher des Ministeriums, daß Tschernobyl geschlossen wird. Grundsätzlich will sich das Ministerium bei seinen G7-Kollegen für nicht nukleare Ersatzkapazitäten in der Ukraine einsetzen – die bisherige Prüfung von Alternativen hat offensichtlich nicht überzeugt. Europäische Sicherheitsstandards müßten eingehalten werden und die „ergebnisoffenen“ Prüfungen erst mal zu Ende geführt werden. Aus dem klaren „Ja“ der Vergangenheit ist ein kritisches „Jein“ geworden. Damit wird Horst Köhlers Dienstreise nicht einfacher.

Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, daß der Kredit der Osteuropabank eine besondere Rolle spielt. Tobias Münchmeyer von Greenpeace bezeichnet ihn als Schlüsselkredit: Nur wenn die EBRD mit dem Kredit einsteigt, ziehen Euratom, der europäische Fonds für Nuklearprojekte, und Exportversicherungen wie die deutsche Hermes und die französische Coface nach. Im Koalitionsvertrag der Regierung Schröder steht allerdings, daß Hermes einer ökologischen und entwickungsverträglichen Reform unterzogen werden soll; die Finanzierung von Atomkraftwerken dürfte damit schwer vermittelbar sein.

Auf der anderen Seite stehen die Erwartungen der Atomindustrie, das Exportförderungsinstrument weiter nutzen zu können. Immerhin gibt es großes Interesse deutscher Firmen, sich an dem Bau zu beteiligen, allen voran Siemens. Die Firma hat jetzt schon einen Auftrag über eine zweistelligen Millionenbetrag für den Einbau der Sicherheitsleittechnik.

Der letzte Versuch der Osteuropabank, sich an dem Bau eines Atomkraftwerkes, dem AKW Mohovce in der Slowakei, zu beteiligen, scheiterte an dem internationalen Protest gegen das umstrittene Kraftwerk. Setzt sie sich diesmal nicht gegen den wachsenden Protest durch, dürfte die deutsche Atomindustrie auf ihrer Suche nach Überwinterungsplätzen in dieser kalten Legislaturperiode ein zusätzliches Finanzierungsproblem haben.

In Europa machen derweil die NGOs gegen K2/R4 mobil. Am 14. Dezember sind europaweit Aktionstage geplant, in Deutschland unter der Koordination der Siemens-Boykott-Kampagne (Tel. 030-2044784 oder 06221-758877). Aber nicht nur NGOs setzen sich mit den AKW- Plänen kritisch auseinander. Die österreichische Regierung hat für den 9. Dezember eine Anhörung mit internationalen Experten zu dem AKW-Bau angesetzt, in Budapest und Prag sind ebenfalls Anhörungen geplant. In Deutschland ist keine derartige Anhörung geplant. Noch nicht.

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