: Demos zum Weihnachtsgeld-Aktionstag
■ Frankreichs Arbeitslose gehen erneut für ein Weihnachtsgeld und eine Erhöhung der Sozialhilfe auf die Straße. Die Regierung signalisiert umgehend Kompromißbereitschaft
Paris (AFP/dpa/rtr/taz) – Alle Jahre wieder demonstrieren Frankreichs Arbeitslose für ein Weihnachtsgeld. Gestern war der vorläufige Höhepunkt ihre Proteste, die vor mehr als zwei Wochen im südfranzösischen Marseille begonnen hatten. Seither kommt es täglich zu Kundgebungen in vielen Städten des Landes. Zahlreiche Arbeitsämter wurden besetzt, um die Forderungen von 3.000 Franc (knapp 900 Mark) Weihnachtsgeld durchzusetzen.
Zum Aktionstag versammelten sich gestern früh allein in Marseille mehrere tausend Menschen im Stadtzentrum. In Lyon wurden Büros der staatlichen Stromgesellschaft EDF besetzt, während die Demonstranten in Toulouse in eine Filiale der Arbeitslosenkasse eindrangen. In mehreren Städten blieben die Büros von Arbeitslosenkasse und Arbeitslosenversicherung vorsorglich gleich ganz geschlossen. Höhepunkt dieses Aktionstages sollte eine Demonstration in Paris am Nachmittag sein.
Eiligst signalisierte die Regierung von Premierminister Lionel Jospin Kompromißbereitschaft, um der Bewegung ihre Spitze zu nehmen. Arbeitsministerin Martine Aubry gab vor einigen Tagen bekannt, daß über eine Erhöhung der Arbeitslosenbezüge verhandelt werde. Möglicherweise würden auch die Sozialgelder erhöht. Ihrer Meinung nach ginge es nicht an, daß die sozial Schwachen leer ausgingen, während sich die Kaufkraft der Beschäftigten erhöhe.
Bereits im vergangenen Winter gab es ähnliche Demonstrationen für ein Weihnachtsgeld und mehr Sozialhilfe. Damals lehnte Jospin die Forderungen ab, sagte aber immerhin ein Soforthilfeprogramm für Notlagen von umgerechnet 450 Millionen Mark zu. Dieses Sondergeld soll allerdings 1999 wieder gestrichen werden. In diesem Jahr erlaubte es immerhin rund 600.000 Menschen eine Finanzspritze von 1.600 Franc (rund 480 Mark).
In der französischen Privatwirtschaft ist unterdessen die Zahl der Erwerbstätigen außerhalb der Landwirtschaft im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,5 Prozent auf 13,76 Millionen gestiegen. Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres habe die Zahl um 2,3 Prozent zugenommen, teilte die Regierung in Paris gestern mit. Sie begründete die Entwicklung mit ihrer Politik zur Stärkung der Massenkaufkraft und den damit erhöhten Verbrauchsausgaben. pipe
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