: „Richard Dewes ist nicht im Osten aufgewachsen“
■ Für den sächsischen SPD-Vorsitzenden Karl-Heinz Kunckel ist eine Zusammenarbeit mit der PDS „völlig ausgeschlossen“. Er wirft den Altkommunisten vor, gegen das Grundgesetz zu opponieren
taz: Herr Kunckel, erst Ihre Partei hat die PDS regierungsfähig gemacht. Jetzt will die SPD debattieren, ob die SED-Nachfolger für eine Machtbeteiligung überhaupt demokratisch genug sind. Kommt die Debatte nicht zu spät?
Karl-Heinz Kunckel: Sicherlich: Der Zeitpunkt liegt nach dem Schweriner Koalitionsvertrag, und damit kommt die Debatte reichlich spät. Sie ist aber enorm wichtig, weil im nächsten Jahr in Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Berlin Wahlen anstehen. Wir müssen jetzt klären, wie wir dann mit der PDS umgehen wollen. Mittlerweile können wir ja auf eine ganze Reihe neuer Erfahrungen zurückgreifen.
Welche Erfahrungen haben Sie denn gemacht?
Es ist bezeichnend, wenn PDS- Chef Gysi sagt, daß es eigentlich egal ist, was im Mecklenburger Koalitionsvertrag steht, Hauptsache, man hat ihn, um sich dadurch als demokratisch legitimiert darstellen zu können. Der Schweriner PDS-Chef Holter erklärte, man sei jetzt zwar an der Regierung, mache aber weiter Systemopposition. Das bedeutet doch: Die Regierungspartei opponiert gegen das vom Grundgesetz vorgegebene Demokratieprinzip. Das Tolerierungsmodell in Magdeburg hat sich in der laufenden Haushaltsdebatte als ausgesprochen problematisch erwiesen. Und die von der rechtspolitischen Sprecherin der PDS im Bundestag angezettelte Debatte über Amnestie und Entschädigung von Funktionsträgern der SED- Diktatur macht doch auch den Charakter der PDS deutlich. Für die sächsische SPD ist eine Zusammenarbeit mit einer Partei, deren Verhältnis zur Demokratie nicht ohne Zweifel ist, völlig ausgeschlossen.
Das sieht Ihr Thüringer Kollege, SPD-Chef Richard Dewes, aber ganz anders. Der hält die PDS für eine ganz normale Partei, die regierungsfähig ist.
Das sächsische Verhältnis gegenüber der PDS resultiert nicht aus irgendwelchen Überempfindlichkeiten eines Parteivorsitzenden Kunckel, sondern ist Beschlußlage der Partei. Ich glaube nicht, daß es eine ähnlich tiefe Debatte in der Partei in Thüringen gegeben hat. Richard Dewes ist nicht im Osten aufgewachsen. Ich meine das nicht überheblich. Dewes kommt aus dem Saarland, einer Gegend, die eine frankophile Prägung und Geschichte hat. Dort haben die Kommunisten eine andere Rolle gespielt als in der DDR. Deshalb ist ihre Bewertung eine andere. Die Tatsache, daß man Honecker 1988 dort als Ehrenmitglied in eine Schalmeienkapelle aufgenommen hat, mag ein Beleg dafür sein. Fakt ist aber, daß es auch in Thüringen eine ganze Reihe von Leuten gibt, die gegen eine Koalition mit der PDS sind.
Was vermag ein Arbeitskreis von sozialdemokratischen PDS- Kritikern zu leisten?
Er kann und muß aufklären, auf bestimmte Entwicklungen innerhalb der PDS einen Fokus richten. Und wichtig ist auch, daß sich der Widerstand gegen einen Schmusekurs mit der PDS sichtbar symbolisch innerhalb der SPD formiert. Ein großer Teil der ostdeutschen Sozialdemokraten denkt eben in der PDS-Frage anders als Höppner oder Ringstorff. Dieses Potential organisatorisch zu bündeln hat auch eine bundespolitische Ausstrahlung.
Inwiefern?
Die Diskussion um die PDS ist in der Bundespartei bislang zu wenig geführt worden. Der Arbeitskreis wird also ein besonderes Problem Ost auch in die Bundespartei hineintragen.
Welchen Einfluß wird der Arbeitskreis nehmen können?
Ich werde als Landesvorsitzender nicht persönlich teilnehmen, bin aber sicher, daß auch Sachsen um Mitarbeit gebeten werden. Interview: Nick Reimer
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