: „Nur für ein paar Tage auf Probe“
■ Kiez-Gastronom muß sich wegen Zuhälterei und Förderung der Prostitution einer 16jährigen vor Gericht verantworten
Daß das Rotlichtmilieu Teil ihres Lebens geworden ist, versucht die heute 17jährige Andrea Bold (Name geändert, d. Red.) nicht zu kaschieren. Mit 16 strippte sie bereits auf St. Pauli, und zu ihrer Aussage vor dem Amtsgericht Hamburg erscheint sie in Begleitung zweier solariumgebräunter Bodyguards. Dort muß sich der deutsch-polnische Bar-Betreiber Dominik G. wegen Zuhälterei und Förderung der Prostitution einer Minderjährigen verantworten.
Anfang dieses Jahres hatte Andrea Bold den 22jährigen G. in seinem Kiez-Szenetreff „ZB“ in der Gerhardstraße kennengelernt. „Ich hab' mich sofort in ihn verknallt.“ Bereits beim ersten Date schläft sie mit G.; ihren Job als Stripperin gibt sie auf und zieht – ohnehin ohne festen Wohnsitz – bei ihm ein.
Bereits nach einigen Tagen, erzählt sie vor Gericht, habe G. gedrängt, „ob ich nicht in der ,Steige' arbeiten möchte, da könnte ich schnell viel Geld verdienen“, berichtet Andrea Bold. „Ich wollte nicht, ich hatte mit sowas vorher noch nichts zu tun.“ Doch G. habe sie zu „ein paar Tagen auf Probe“ in einem Bordell in der Friedrichstraße überredet. Nach drei Tagen habe sie aufhören wollen. Doch G. habe sie „grob am Arm gepackt und mir deutlich gemacht, ich sollte weitermachen.“ Er bräuchte das Geld für eine größere Wohnung und ein neues Auto.
Sieben Tage die Woche muß sie Freier am Hans-Albers-Platz anbaggern, ihre Einnahmen nimmt G. „zur Verwahrung“ an sich. „Nur die Einnahmen der ersten Tage durfte ich behalten, für Kleidung und so“, berichtet die junge Frau. Allein verläßt sie in dieser Zeit nie das Haus: „Ich hatte ja kein Geld.“
Der Satz „Ich mache das nicht mehr“ habe ihr zwar „immer auf der Zunge gelegen“, aber ihn auszusprechen habe sie sich nicht getraut. Geschlagen? „Nein, Gewalt hat er nicht ausgeübt,“ bescheinigt Andrea ihrem Zuhälter. Sie habe ihn eigentlich auch gar nicht anzeigen wollen: „Er hat mich doch ernährt.“
Anfang März faßt sich die damals noch 16jährige dann doch ein Herz und flüchtet. Mit der letzten Einnahme irrt sie im Taxi durch Hamburg und findet vorübergehend in einem Frauenhaus Zuflucht. Im Sommer aber folgt ein Intermezzo auf dem Autostrich in der Süderstraße; jetzt sei sie „Kellnerin“, gibt sie vor Gericht an. Wohl die einzige mit Bodyguards.
Für Dominik G. ist alles natürlich viel harmloser gewesen: „Für mich war sie eine Prostituierte, weil sie als Stripperin gearbeitet hat.“ Daß sie erst 16 Jahre alt gewesen ist, habe er erst später erfahren.
Der Prozeß wird heute fortgesetzt. Kai von Appen
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