: Ausstellungen statt Betonstelen
■ Der Bundeskulturbeauftragte Naumann läßt ein Konzept für das Holocaust-Mahnmal in Berlin erarbeiten, in dem der Entwurf des umstrittenen Architekten Eisenman nicht mehr enthalten ist
Berlin (taz) – Anstelle des umstrittenen Holocaust-Mahnmals in Berlin plant die Bundesregierung eine Kombination aus Gedenkstätte und Ausstellungen, um an die Ermordung der Juden durch die Nationalsozialisten zu erinnern. Ein Regierungssprecher bestätigte am Wochenende einen entsprechenden Bericht des Spiegel. Das Konzept löste Überraschung und Ablehnung aus.
Der designierte Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) hat für seinen neuen Vorschlag nach Aussagen des Regierungssprechers die „volle Rückendeckung des Kanzlers“. Details wollte der Sprecher nicht nennen, da der Entwurf noch nicht fertig sei. Der Vorschlag solle als Grundlage für die Debatte im Bundestag dienen, deren Zeitpunkt allerdings noch nicht feststeht.
In dem Konzept ist von dem Altkanzler Helmut Kohl favorisierten Säulenmodells des Amerikaners Peter Eisenman keine Rede mehr. Statt dessen ist eine Gedenkstätte mit wechselnden Ausstellungen vorgesehen. Dabei soll mit dem Holocaust Memorial Museum in Washington, der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem und dem Leo-Baeck- Institut in New York zusammengearbeitet werden. Zugleich wird erwogen, einen vom Präsidenten der Akademie der Künste Berlin- Brandenburg, György Konrád, angeregten „Garten des Spiels und der Besinnung“ anzugliedern. Der endgültige Entwurf solle bis Mitte 1999 vom Bundestag verabschiedet werden. Als Architekt für die Gedenkstätte ist wieder Eisenman im Gespräch. Der Amerikaner wurde von den neuen Plänen völlig überrascht. Naumann habe mit ihm nicht über sein Konzept gesprochen, sagte Eisenman der Berliner Morgenpost. Ein Holocaust- Museum hatte er erst kürzlich abgelehnt. Ein Museum sei kein Mahnmal, sagte Eisenman. Es liefere Erklärungen und Hintergründe. Das mache sein Projekt – ein begehbares Labyrinth aus 2.500 Betonstelen in der Mitte Berlins – nicht.
Der private Förderkreis des Denkmals lehnt den Vorschlag Naumanns ebenfalls ab. Der Kulturbeauftragte versuche „verzweifelt“ sich an einem Denkmal „vorbeizumogeln“, sagte deren Sprecherin Lea Rosh. Die Initiatorin des Denkmals war nach eigenen Angaben über die neue Pläne nicht informiert. Auch die von den Auslobern – der Bund, das Land Berlin und der private Förderkreis – eingesetzte Findungskommission fühlt sich übergangen. Der Kunsthistoriker Werner Hofmann sagte in Focus, die Entscheidung im Bundestag werde zu einer Katastrophe führen, weil die „meisten Parlamentarier sehr kunstfern“ seien. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hatte zuletzt den Eisenman-Entwurf abgelehnt und andere Standorte ins Gespräch gebracht. Das Zentrum der Bundeshauptstadt dürfe nicht zu einer „Mahnmeile“ werden. Damit hatte er heftige Kritik geerntet. Jutta Wagemann
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