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Kurzer Prozeß mit Bonner Ideen

■ Die Minister Schily und Däubler-Gmelin haben einen Plan: Polizisten sollen Strafgelder verhängen. Was daraus wird, ist unklar. Bei den Ländern ist der Vorschlag höchst umstritten

Berlin (taz) – Es hörte sich so wunderbar einfach an. Ein Ladendieb klaut einen Videorekorder, wird ertappt, die Polizei kommt, der Beamte verhängt ein Strafgeld. Kein bürokratisches Hin- und Hergeschiebe zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft, die das Verfahren schließlich einstellt. Im Gegenteil: Der Übeltäter spürt sofort, daß er Unrecht getan hat, denn die Strafe folgt auf den Fuß. So wollen es Bundesinnenminister Otto Schily und Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (beide SPD). „Mehr Selbständigkeit“ für die Polizei rief Schily schon aus, und Däubler-Gmelin versprach ein Mittel gegen Taten, die sonst gar nicht verfolgt würden.

Doch kaum war der Vorschlag plaziert, taten sich Fragen auf. Was unterscheidet Strafgeld noch von Bußgeld? Wie soll vor Ort erkannt werden, ob es sich um einen Ersttäter handelt? Und wo bleibt die Gewaltenteilung? Es müsse zunächst ein Gesetzentwurf ausgearbeitet werden, heißt es vom Justizministerium. Im Januar würden Eckpunkte vorliegen. Doch während in Bonn gearbeitet wird, mehren sich die Strafgeldgegner.

Mit dem programmgemäßen Lobbyistengemecker fast aller Verbände von Polizei, Anwälten und Richtern hätten Däubler- Gmelin und Schily noch leben können. Auch die Kritik der unionsregierten Länder Bayern, Baden- Württemberg und Sachsen kam nicht überraschend. Allerdings ist sie gewichtiger, denn bei einer entsprechenden Gesetzesänderung müßten vermutlich die Länder mitmachen, weil sie die Polizeiaufgaben regeln. Zwar werde das letztlich von der genauen Ausgestaltung abhängen, sagte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums. Die Pläne dürften aber „grundsätzlich zustimmungsbedürftig“ sein.

Die SPD-regierten Länder sind in der Frage uneinig. Niedersachsen plädierte schon frühzeitig für ein dem Bonner Vorschlag ähnliches „Verwarnungsgeld“. Hessens Innenminister Gerhard Bökel (SPD) ist für eine „völlig offene Diskussion“, doch Justizminister Rupert von Plottnitz (Grüne) hält gar nichts vom Strafgeld. Vergangene Woche mußten sich Schily und Däubler-Gmelin anhören, wie die im Bundesrat stimmgewaltige Landesregierung von Nordrhein- Westfalen ihren Vorschlag niedermachte. „Mit aller Deutlichkeit“ lehne er ein Strafgeld ab, erklärte Innen- und Justizminister Fritz Behrens (SPD). Verwaltungsbehörden wie die Polizei dürften keine Kriminalstrafen festsetzen. Daß das Strafgeld Bürokratie vermeide, sei zu bezweifeln. „Auch bei der Polizei müßte ein entsprechender Verwaltungsapparat aufgebaut werden.“ Mit bestimmten Vorschriften könnten auch Staatsanwälte und Richter Bagatelldelikte unbürokratisch erledigen. Das Ganze sei eine „oberflächliche Diskussion“, schimpfte Behrens.

Immerhin bekommen die Bonner Zuspruch vom rheinland-pfälzischen Innenminister Walter Zuber (SPD), dem Chef der Innenministerkonferenz. „Die Diskussion sollte offen geführt und nicht sofort im Keim erstickt werden“, erklärte Zuber der taz. Wer in dem Vorschlag eine Durchbrechung der Gewaltenteilung sehe, solle bedenken, daß die Polizei schon jetzt hohe Bußgelder verhänge, ohne daß der Rechtsstaat in Gefahr geraten wäre. Die Sanktionsformen seien zudem gerichtlich überprüfbar. Aber auch Zuber ist vorsichtig: Natürlich bedürfe es „eingehender rechtspolitischer Erörterungen“. Doch selbst die Koalitionspartner von Schily und Däubler-Gmelin haben diese Überlegungen offenbar schon abgeschlossen. Nur die Justiz dürfe Strafen verhängen, hat der Rechtsexperte der Grünen, Volker Beck erklärt.

Die Opposition weidet sich schon an der zerfahrenen Strafgelddebatte. „Konfusion“ herrsche da wohl, lästerte CSU-Mann Norbert Geis. Und formulierte lieber einen wirklich schlichten Vorschlag: „Die richtige Botschaft muß lauten: ,Du sollst nicht stehlen!‘“. Georg Löwisch

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