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Havarien auf den Wassern des Urstromtals

■ Grundwasser drückt auf die Neubauten in der Friedrichstraße. Meterlange Risse im Quartier 206

Der Berliner Untergrund lebt – allerdings nicht politisch, sondern geologisch. Aufgrund des hohen Grundwasserdrucks sind in der Tiefgarage des Quartiers 206 in der Friedrichstraße meterlange Risse aufgetaucht. Gebäudeschutzexperten glauben darüber hinaus, daß die Glasbrüche bei den benachbarten Galeries Lafayette ebenfalls auf den Grundwasserdruck und damit Veränderungen in der Statik der Gebäudefassaden zurückzuführen seien.

Unklar bleibt aber unter den Experten vorerst, ob es sich um Einzelfälle handelt oder die zahlreichen Großbaustellen zu veränderten Grundwasserverhältnissen geführt hätten.

Mittlerweile hat der Bauherr des Quartiers 206, die Kölner Fundus-Gruppe, eine „Klappe“ in der Tiefgarage einbauen lassen, um den weiteren Verlauf der Grundwasserentwicklung zu beobachten. Die Risse seien allerdings kein Grund zur Sorge.

Gebäudesicherheitsexperten wie der Gutachter Gerhard Schiela sprechen dagegen von einem vor allem in Berlin-Mitte „kritischen Baugrund“. So sei zum Beispiel mit dem Neubau des Charité- Hochhauses dem alten Friedrichstadtpalast der Todesstoß versetzt worden. Wegen des bis auf 1,50 Meter angestiegenen Grundwassers, so Schiela, gebe es Verschiebungen, die von oben nur schwer wahrzunehmen seien. Den Hinweis auf den Bau der Charité teilen jedoch nicht alle Grundwasserexperten. Daß der alte Friedrichstadtpalast ausgetrocknet worden sei, erklärt der Gutachter Ingo Schreiber, hänge vielmehr mit der damaligen Bauweise zusammen. So habe man während der Tiefbauarbeiten der Charité das Grundwasser weiträumig abgepumpt, was bei umliegenden Gebäuden unter anderem zu einer Austrocknung der hölzernen Gründungspfähle geführt hätte. „Heute dagegen“, so Schreiber, „wird das Grundwasser nicht mehr abgepumpt, sondern die Kellerwanne in Trogbauweise errichtet.“ Der Vorteil: Das Grundwasser in den näheren Umgebung bleibt während der Bauzeit auf Normalniveau.

Schreibers Fazit: „Die paar Basteleien, die in den letzten Jahren im Berliner Urstromtal in Mitte gemacht wurden, haben auf die Grundwasserentwicklung keinen Einfluß.“ Vielmehr seien die auftretenden Schäden Einzelfälle. Der Druck des Grundwassers auf die Unterseite der Betonwannen sei manchmal so riesig, daß dabei durchaus Risse auftauchen könnten, die am Ende auch zu Gebäudehavarien führen könnten.

Im Quartier 206 bleibt man freilich gelassen. Daß es statische Auswirkungen gebe, hieß es, sehe man nicht. Uwe Rada

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