: Prolo-Pastor im Voodoo-Zauber
■ Der Film „Schlange auf dem Altar“ scheitert, weil er keine Komödie sein kann (20.15 Uhr, ARD)
„Warum schließen Sie denn während des Gottesdienstes die Kirche ab?“ Nach einem Blick auf die spärlich erschienenen Gläubigen: „Damit keiner rausläuft?“ „Das ist nicht witzig!“ faucht der asketische Pfarrer Reinhardt seinen neuen Hilfspastor Georg Färber an. Und recht hat er: Richtig witzig ist er nie, der Fernsehfilm „Schlange auf dem Altar“.
Und unklar bleibt, ob er das denn überhaupt sein soll. Schließlich ist das Thema an sich ernst: Die abgelehnte und vor der Abschiebung geflohene Asylbewerberin Mambele aus Nigeria bittet um Kirchenasyl, weil keiner ihr glaubt, daß sie in ihrer Heimat ein Massaker an Oppositionellen beobachtet hat. Doch auch die Ausländerbehörde weiß davon nichts, Mambele verstrickt sich zunehmend in Widersprüche, und schon bald ist sich auch der Prolo-Pastor Färber nicht mehr sicher, ob er ihr ohne Vorbehalt glauben und helfen soll.
Kein Wunder eigentlich, wenn Georg Heinzens Drehbuch die Asylbewerberin mit reichlich Voodoo-Zauber, rituell verklärter Musik und einer drei Meter langen Python namens Minnie ausstattet und sie mit Hühnerblut ein Kruzfix seiner Macht berauben wollen läßt... Auch das ist nicht witzig, sondern bloß Ethno-Klamauk.
Ort des Geschehens ist eine Kirchengemeinde im Hamburger Schanzenviertel, die mit ihren wenigen Kirchgängern (Durchschnittsalter: 70) am Rande der Wahrnehmbarkeit herumkrebst. Doch statt die Gegebenheiten dieser nicht uninteressanten Kulisse zu echten Milieustudien zu nutzen, läßt Regisseur Hans-Erich Viet in krampfhafter Inszenierung nur falsche Nutten, Teenie-Kriminelle, Dealer, abgedrehte Propheten und allerlei Multikultivolk durchs Bild rennen.
Da fängt selbst die kontrastreiche Konstellation der beiden Pfarrer Färber (Achim Rohde) und Reinhardt (Edgar Selde) die Mängel nicht auf: Rohde spielt den strafversetzten Ex-Knastpastor, ausgestattet mit großem Herzen, gutem Glauben und einer Vorliebe für alles Amerikanische (einen 66er Chrysler, Westernstiefel, Bruce Springsteen); Selde macht aus seinem Kirchenmann den vielleicht interessantesten Part: verklemmt, aber begeisterungsfähig, unentschlossen, aber nicht uncool. „Schlange auf dem Altar“ hätte eigentlich alles, was es zum Gelingen eines originellen Films braucht: wirklich gute Schauspieler, einen Hintergrund mit Potential für beziehungsreiche Bilder, eine konfliktreiche Grundproblematik, witzige Einsprengsel wie etwa die Frage, was denn nun „Belästigung durch eine radikale religiöse Minderheit“ ist (der Gebetsruf des Muezzin oder das Glockengeläut der Christen?)... Doch durchgängige Linien fehlen, alles wirkt platt.
Einen unterhaltsamen Film über ein ernstes Thema zu drehen ist das eine. Einen solchen Stoff mit Klischees und Klamauk zu ersticken das andere. Und das ist dann tatsächlich „nicht witzig“, sondern traurig. Lena Bodewein
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