Her mit den Genen: Eine ganze Insel als das ideales Freiluftlaboratorium

„Eine große Chance“ sieht Jonathan Knowles, Leiter der Forschungsdabteilung bei Hoffman-La Roche in der isländischen Gen-Datei und schwärmt von den „einmaligen genetischen Eigenschaften der isländischen Bevökerung“. Insbesondere die „genetische Homogenität“ der Isländer sei hilfreich bei der Suche nach krankheitsauslösenden Genen.

Der Mann hat recht. Seit die abgelegene Insel im neunten Jahrhundert von Norwegen her besiedelt worden ist, haben sich nämlich nur wenige Neueinwanderer dorthin verirrt. Das Erbgut der Bevölkerung hat sich deshalb über die Jahrhunderte kaum verändert. Dazu kommt, daß die Inselbewohner gut tausend Jahre zurückreichende umfangreiche Aufzeichnungen über ihre Ahnenreihen besitzen. Verwandtschaftliche Beziehungen lassen sich so bis auf bis zu 50. Generationen zurückverfolgen.

Eine weitere Besonderheit Islands sind die umfangreichen Sammlungen medizinscher Daten. Seit 1915 werden die Krankenakten nahezu lückenlos aufbewahrt. Bei medizinischen Untersuchungen und in der Pathologie anfallende Gewebeproben werden seit 40 Jahren eingelagert. Mit diesen Daten können in einer Familie auftretende Erbkrankheiten nicht nur über mehrere Generation zurückverfolgt werden. Es ist auch ein leichtes, weitläufige Verwandte zu finden, die möglicherweise unter der gleichen Erbkrankheit leiden. Besonders bei komplexen Krankheiten müssen die Forscher größere Bevölkerungsgruppen untersuchen, die möglichst eng miteinander verwandt sind, um die genetischen Ursachen aufzuspüren.

Daß die Suche nach Krankheitsgenen für deCode möglicherweise nur der Anfang ist, geht aus einem internen Briefwechsel hervor. Schon 1995 hatte deCode- Gründer Kári Stefánsson Kontakt mit einer US-Gentechfirma, Sequana in Kalifornien, aufgenommen. Deren Präsident Kevin Kinsella wollte in das Islandgeschäft einsteigen. Er interessierte sich allerdings nicht nur für die Gene. Island sei auch, so heißt es in einem Brief, „ein ideales Laboratorium für angehende pharmacogenetische Studien“ die im Zusammenhang mit klinischen Tests von neuen Medikamenten durchgeführt werden könnten. Mit diesen Studien könnte zum Beispiel untersucht werden, ob und gegebenenfalls wie Menschen, die mit verschiedenen Genvarianten ausgestattet sind, unterschiedlich auf neue pharmazeutische Substanzen reagieren.